: Hartz IV für Portugal
KRISE Das milliardenschwere EU-Hilfspaket ist mit neuen Härten für die Portugiesen verbunden: Arbeitslosenhilfe und Renten werden gekürzt. Die Mehrwertsteuer steigt
AUS BRÜSSEL GERT STUBY
Die Portugiesen haben nicht mehr die Wahl. Nach der geschäftsführenden Regierung in Lissabon stellten sich gestern auch die beiden großen rechtsliberalen Oppositionsparteien hinter das EU-Hilfspaket, mit dem die Schuldenkrise im ärmsten Land Westeuropas überwunden werden soll. Damit unterstützen alle großen Parteien den Sparkurs, der noch im März zum Sturz von Premierminister José Sócrates geführt hatte.
Bei den Neuwahlen im Juni müssen sich die Portugiesen nun wohl oder übel in ihr Schicksal fügen – oder den Urnen fernbleiben. Die Zustimmung der Opposition war eine zentrale Bedingung der EU für das 78 Millarden Euro schwere Kreditprogramm. Währungskommissar Olli Rehn wollte vermeiden, dass die nächste Regierung das Hilfspaket aufschnürt – und die „strikte Konditionalität“ in Frage stellt.
Die Bedingungen haben es nämlich in sich – auch wenn die Auflagen für Portugal nicht ganz so hart ausfallen wie die für Griechenland, wo die Schuldenkrise vor mehr als einem Jahr begann. Die portugiesische Regierung bekommt etwas mehr Zeit, um die Neuverschuldung unter die EU-Marke von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung herunterzufahren (nämlich bis 2013). Portugal muss auch nicht ganz so viel privatisieren wie Griechenland. Nur die Fluggesellschaft TAP und zwei Energiefirmen kommen in diesem Jahr auf den Markt.
Auf die Bürger kommen dennoch viele Härten zu. So werden Arbeitslosenhilfe und Renten gekürzt; gleichzeitig wird ein System nach dem Vorbild von Hartz IV eingeführt. Die Löhne im öffentlichen Dienst werden bis 2013 eingefroren, im Privatsektor soll sich die Lohnentwicklung künftig nach der Produktivität (und nicht wie bisher nach der Inflation) richten. Gleichzeitig werden viele Produkte teurer, da die Mehrwertsteuer steigt.
Demgegenüber bleibt die Einkommensteuer unberührt, wie Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos sagte. Die portugiesische Wirtschaft werde wohl in diesem und im kommenden Jahr um jeweils 2 Prozent schrumpfen, kündigte der Minister an. Die Rezession dürfte es noch schwerer machen, die Schulden zu bedienen und die Wirtschaft in Schwung zu bringen, die seit Jahren an einer Wachstumsschwäche leidet.
EU-Kommissar Rehn und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sprachen dennoch von einem „ausgewogenen“ Paket. Es stehe auf drei Säulen, teilten sie schriftlich mit, Fragen wollten sie nicht beantworten: Neben den Sparplänen gebe es „wachstumsorientierte Maßnahmen“, die „vor allem den jungen Leuten“ zugutekommen und Jobs schaffen sollen. Außerdem wollen EU und IWF die Banken stützen.
Details wurden jedoch nicht verraten. Vor allem die wichtige Frage, welchen Zinssatz Portugal auf den Hilfskredit zahlen soll, blieb unbeantwortet. Vermutlich werde es etwas günstigere Konditionen als Irland erhalten, sagte ein EU-Unterhändler. Irland muss etwas mehr als 5 Prozent zahlen und fordert seit Monaten einen Nachlass. Auch die Laufzeit der Kredite ist nicht bekannt – dabei ist sie eine der wichtigsten Stellschrauben. Die Einigung muss nun noch von den EU-Finanzministern abgesegnet werden. Das dürfte nicht ganz einfach werden, da es vor allem in Finnland Vorbehalte gegen EU-Hilfen für krisengeschüttelte Euro-Länder gibt. Die Zustimmung der Bundesregierung gilt hingegen als sicher. Schließlich enthält der Hilfsplan alle Elemente, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim EU-Gipfel Ende März vorgegeben hatte. Zudem war der Verhandlungsführer der EU-Kommission ein Deutscher.
Das letzte Wort dürften jedoch – wie schon bei Griechenland und Irland – die Finanzmärkte behalten. Bisher zeigen sie sich skeptisch. So musste Portugal zuletzt 4,6 Prozent Zinsen auf neue Kredite zahlen, das sind 0,6 Prozentpunkte mehr als noch im April. Sollte es zu Protesten gegen das neue Sparpaket kommen, könnten die Märkte noch höhere Risikoaufschläge fordern – und die Sanierung Portugals noch schwieriger machen.