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Archiv-Artikel

Und niemand hat es gemerkt

DSCHIHAD Jung, männlich, ungebildet – so beschreibt eine Analyse des Verfassungsschutzes die deutschen Islamisten, die in den heiligen Krieg ziehen

Gerade mal sechs Prozent der Ausgereisten haben eine Ausbildung, zwei Prozent ein abgeschlossenes Studium. Die Jüngsten von ihnen waren bei der Ausreise 15, der Älteste war 64 Jahre alt

FRANKFURT taz | Denis Cuspert ist der bekannteste von ihnen. Der ehemalige Berliner Rapper Deso Dogg, der sich jetzt Abu Thala der Deutsche nennt, gehört nach Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes inzwischen zum engeren Kreis der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Die Behörde hat gerade einen Bericht veröffentlicht, der Cusperts Lebensweg vom Gangsta-Rapper zum Dschihadisten nachzeichnet, von Berlin-Kreuzberg nach Syrien. Von dort ruft der 38-Jährige radikalisierte Salafisten in Deutschland auf, sich dem IS anzuschließen.

Soweit bekannt, sind schon mehr als 400 Islamisten seit 2012 aus Deutschland ausgereist, um in Syrien in den heiligen Krieg zu ziehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nun im Auftrag der Innenministerkonferenz Informationen über 378 von ihnen zusammengetragen.

Die Analyse ist noch unveröffentlicht, die Berliner Morgenpost hat daraus zitiert. Das Ergebnis: Die Kämpfer aus Deutschland sind jung, männlich und meist ungebildet. Nur jeder Vierte von ihnen hat einen Schulabschluss. Gerade mal sechs Prozent haben eine Ausbildung, zwei Prozent ein abgeschlossenes Studium. Die Jüngsten waren bei der Ausreise 15, der Älteste war 64 Jahre alt. Jeder Dritte stammt aus der Gruppe der 21- bis 25-Jährigen. Ein Fünftel war arbeitslos gemeldet. Nur zwölf Prozent hatten einen Job, meist im Niedriglohnsektor.

233 der Ausgereisten haben einen deutschen Pass, 60 Prozent wurden in Deutschland geboren, als Geburtsländer folgen Syrien (8 Prozent) und die Türkei (6 Prozent). 240 kamen laut Analyse als Muslime zur Welt, 54 sind deutschstämmige Konvertiten.

Die Analyse zeigt auch, dass die Radikalisierung der Dschihad-Reisenden fast ausnahmslos in der Salafistenszene begann. Und: Sie wurde oft weder vom Umfeld noch von den Sicherheitsbehörden bemerkt. Dabei hatten viele bereits Kontakt mit den Sicherheitsbehörden: 117 der Ausgereisten begingen Straftaten, bevor sie sich radikalisierten – meist Gewalt-, aber auch Eigentums- und Drogendelikte.

Bei 40 der Islamisten aus Deutschland gibt es Hinweise, dass sie in Syrien gestorben sind. Etwa ein Drittel der Ausgereisten sei bereits zurückgekehrt. Einige demonstrierten in grausamen Propagandavideos ihre Gewaltbereitschaft: Mustafa K., der aus dem nordrhein-westfälischen Dinslaken stammt, posierte mit abgeschlagenen Köpfen; Cuspert zeigte sich, als er die Leichen syrischer Regierungssoldaten schändete. SABINE AM ORDE