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Archiv-Artikel

Billiger Jakob an den Unis

Niedersachsen will in den nächsten vier Jahren 11.200 neue Studierende gewinnen. Dass der Teufel im Detail steckt, merkt CDU-Wissenschaftsminister Stratmann, als er seine Wohltaten verkünden will

VON KAI SCHÖNEBERG

Lutz Stratmann schaut mal flehentlich an die Decke, dann zu seinen Ministerialen, mal verschränkt der Wissenschaftsminister die Arme, mal zuckt er, dabei leicht errötend, mit den Schultern: Eigentlich hatte der CDU-Mann doch nur Gutes für Niedersachsens Hochschulen verkünden wollen. 11.200 neue Studienplätze bis 2010, 107 Millionen Euro zusätzlich für die Universitäten und Fachhochschulen in den nächsten vier Jahren, je zur Hälfte finanziert von Land und Bund. Aber Stratmanns Körpersprache verriet Verzagtheit: Die versammelten Journalisten hatten nämlich nicht nur Wohltaten gesehen, als er von „Verantwortung für die kommende Generation“ sprach.

„Es ist richtig“, gab der Hochschulminister schließlich händeknetend zu, „dass die Diktion problematisch ist.“ Gemeint: Nur durch quälende Nachfragen war aus Stratmann herauszubekommen, dass es tatsächlich nur 9.500 echte neue Studienplätze, vor allem an den Fachhochschulen, geben soll, die meisten an den FHs in Osnabrück und Braunschweig/Wolfenbüttel. Die restlichen „neuen“ Studienplätze sind bereits vorhanden, aber nicht besetzt – vor allem bei den Natur -und Ingenieurwissenschaften an den Universitäten. So ist zurzeit nur die Hälfte der Physik-Plätze an der Universität Göttingen belegt. Während Bund und Land ein neu geschaffener Studienplatz je nach Fach zwischen 3.000 und 10.000 Euro kostet, erhalten die Hochschulen für die bereits vorhandenen nur eine „Auffüllerprämie“ in Höhe von etwa 800 Euro.

Mit der Prämie sollen die Hochschulen nicht ausgelastete Studiengänge füllen: Es gehe um „kreative Werbemaßnahmen“, sagte die Sprecherin der Landeshochschulkonferenz und Präsidentin der FH Vechta, Marianne Assenmacher. Beispiele: Anzeigenkampagnen oder Schnupperstudien für Abiturienten.

Dass die Studierendenzahlen in Niedersachsen – derzeit sind es 145.000 – so bald als nötig erhöht werden müssen, sieht auch die Opposition so: Schließlich drängt im Jahr 2011 ein doppelter Abiturientenjahrgang auf den Bildungsmarkt, außerdem wächst die Zahl der Abgänger demnächst rapide an.

Wie der Zuwachs zu bewerkstelligen ist, ist umstritten. Dementsprechend deutlich fiel das Sperrfeuer von SPD und Grünen nach dem Minister-Auftritt aus – zumal Stratmann seit 2003 bereits 5.000 Studienplätze abgebaut hat: „Strategisches Denken ist Herrn Stratmann offenbar völlig fremd“, sagte die SPD-Hochschulexpertin Gabi Andretta. Wenn die Studierendenzahlen nicht wie geplant erreicht werden, drohten „den Hochschulen Rückzahlungen der Bundeszuschüsse in Millionenhöhe“. Stratmann agiere bei den Hochschulen als „billiger Jakob“, ätzte die Grüne Gabriele Heinen-Kljajic. Das Geld reiche nicht, um neue Professoren einzustellen. Bei Stratmanns „dürftigem“ Plan gehe es offensichtlich nicht um voll ausfinanzierte zusätzliche Studienplätze, sondern nur um mehr Studienanfänger, die durch das „Auffüllen“ von nicht ausgelasteten Studiengängen gewonnen werden sollen. In einem sind sich SPD und Grüne einig: Die Hochschüler werden nicht von den neu eingeführten Gebühren profitieren: „Die Zeche zahlen die Studenten“, meint Heinen-Kljajic: Deren Studienbedingungen würden „sich trotz Gebühren weiter verschlechtern“.