Thema der Woche

Wildwest in Pakistan

■ betr.: „Bin Laden im Paradies“, taz vom 3. 5. 11

Wir düsen hin, wir knallen ihn ab, wir schmeißen die Leiche ins Meer, wenn’s keiner sieht – justice has been done! Was Präsident Barack Obama als Sieg für Freiheit und Demokratie hinstellt, ist tatsächlich ein massiver Verstoß gegen das Völkerrecht. Indem US-amerikanisches Militär, ohne die Billigung der Vereinten Nationen, in Pakistan eindrang, verletzte es dessen Souveränitätsrecht. Und ob eine Militäroperation überhaupt legitim war, darf man bezweifeln.

Gewiss, es ist nicht schade um Osama bin Laden. Aber um den Rechtsstaat, der sich selbst ruiniert. KARL KELSCHEBACH, Oldenburg

■ betr.: „Merkels Satz war unbedacht“, taz vom 5. 5. 11

Immer wenn ich in den letzten Jahren unsere Bundeskanzlerin gesehen habe, hab ich mich gefragt, ob sie sich wohl freuen kann. Ich meine, so aus dem Bauch heraus und dass es bis in die Haarspitzen nur so kribbelt. Jetzt weiß ich es: Sie kann es! Halleluja! Sie freut sich darüber, dass Bin Laden getötet worden ist. Immerhin. Gut, das ist jetzt nicht die Art Freude, die ich mir gewünscht hätte, aber da geh ich jetzt wohl ein bisschen zu weit. Freude ist schließlich reine Privatsache! Und eins ist sicher: Wenn es das ist, was ihr Freude bereitet, dann kann ihr doch geholfen werden! Oder?

MARTINA OSSOBLE, Essen

■ betr.: „Missverständliche Freude“, taz vom 5. 5. 11

Glaubt man Medienberichten, dann hat Bundeskanzlerin Merkel allen Ernstes gesagt: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten.“ Bei Conan dem Barbaren hätte mich ein derartiger Satz nicht gewundert. Aber die Bundeskanzlerin sollte zwischen Rache und Gerechtigkeit unterscheiden können, zumal der andere Verbrecher unbehelligt seine Staatspension beim Barbecue auf seiner Ranch in Texas verzehrt. Schon Ben Cartwright aus der Westernserie „Bonanza“ hat mit seinen Söhnen Adam, Hoss und Little Joe nach Kräften versucht, Lynchjustiz in Virginia City zu verhindern: Auch Pferdediebe und Revolverhelden sollten einen fairen Prozess bekommen, selbst wenn ihnen die Todesstrafe drohte. WALTER RUFFLER, Bremen

■ betr.: „Der Tod ist immer eingeplant“, taz vom 4. 5. 11

Wenn man nach der Rechtmäßigkeit dieser „Tötung“ fragt und beim Völkerrecht stehen bleibt, ist nicht viel gewonnen – man geht damit denen auf den Leim, die ein klassisch mit polizeilichen Mitteln zu bearbeitendes Problem zu einem „Krieg“ erklären. Bin Laden ist kein Subjekt des Völkerrechts.

Die einzige Feststellung im Artikel, die etwas mit Völkerrecht zu tun hat, ist die, dass die USA ohne Zustimmung Pakistans nicht auf deren Territorium agieren dürfen. Der eigentliche Skandal ist der Verstoß gegen diverse Menschenrechte (Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht mit gesetzlichen Richtern, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit unter anderen) und auch gegen die eigenen Rechtsnormen der USA durch diesen Akt des Staatsterrorismus.

Darauf geht der Autor aber nicht weiter ein. Stattdessen schließt er mit der Feststellung „Das Kriegsvölkerrecht ist der Kriegspraxis nicht gewachsen“. Das ist zum einen wie ausgeführt am Thema vorbei, zum anderen klingt es, als müsse man das Recht anpassen, damit’s nicht weiter gebrochen wird. Geht’s noch?

FLORIAN RASCH, Dresden

■ betr.: „Applaus für Obama“, taz vom 3. 5. 11

Osama bin Laden war zuallererst ein Mensch, als Mensch hatte er Würde – ganz unabhängig von den Verbrechen, für die man ihn verantwortlich macht. Für ihn galten die gleichen Menschenrechte, wie für jeden anderen Menschen auch. Ihm hätte ein faires rechtsstaatliches Verfahre zugestanden.

Die Tötung Bin Ladens, ja der ganze „Krieg gegen Terror“, ist ein Rückfall in die Zeit vor der Aufklärung. Nicht die „Gerechtigkeit“, wie Obama sagt, ist wiederhergestellt worden, sondern ein archaisches Rachedenken: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Die US-amerikanische Verfassung wird damit zur Makulatur. Herr Obama, der dieser Verfassung verpflichtet ist, müsste zurücktreten. Dasselbe ist auch Frau Merkel zu empfehlen.

MARGIT GEILENBRÜGGE, Dortmund

■ betr.: „Der Alte vom Berg“, taz vom 3. 5. 11

Ein wenig verwundert bin ich schon, wie sehr die taz dem polarisierenden Mainstream der Nachgedanken zur Bin-Laden-Exekution folgt. Es ist einfach, den Getöteten als „existenzialistische Verstörung“ abzutun, als Verrückten, oder als Yogi oder „Guru, der eine ganz andere Logik, oder noch besser, der gar keine Logik verkörperte in einer Welt voller Logik“. Hier ist sie wieder, die westliche Arroganz: Der Westen ist logisch, die muslimische Welt nicht! Wir sind gut, bin Laden war die Personifizierung des Bösen!

Der Effekt dieser Schubladisierung war die Antwort auf den Terrorismus mit einer Politik der rauchenden Colts, konsequent bis zum Ende der Ära bin Laden. Es war eine Ära der verpassten Chance! Wie in jeder zwischenmenschlichen Beziehung, in der das, was uns am anderen stört oder bedroht, ein Hinweis auf Bereiche ist, in denen wir mit uns selbst nicht im Reinen sind, so hat bin Laden – so inakzeptabel seine Methoden auch waren – dem US-dominierten Westen den Spiegel vorgehalten. Wir haben uns geweigert, das anzuschauen, was wir in diesem Spiegel präsentiert bekamen, und daraus zu lernen. Wir haben uns geweigert aufzuarbeiten, welches Verhalten des Westens den islamistischen Terrorismus erst aufkommen ließ. Wir weigern uns weiterhin, Zusammenhänge zwischen islamistischem und christlichem Fundamentalismus zu betrachten, zu sehen, welches Leid unsere Gier nach Wohlstand und Hegemonie überall in der Welt auslöst. Es ist viel zu reparieren – vom Dauerunrecht Palästina bis zu Guantánamo. Wir sind alle gefragt! SABINE MIEHE, Marburg

■ betr.: „Dürfen die das?“, taz vom 4. 5. 11

Am 8. 5. 1945 feierten die US-Amerikaner das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und den Sieg über Nazi-Deutschland in den Straßen von New York, wo an jenem 11. September 2001 zwei Flugzeuge im Auftrag von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden das World Trade Center zerstörten und somit fast 3.000 Menschen ums Leben brachten. Ist es da nicht verständlich, wenn die US-Amerikaner auch den Tod von Osama bin Laden feiern, der nach den traumatischen Ereignissen von 09/11 wie eine innere Befreiung der Seele wirkt? Schließlich war Osama bin Laden wie Adolf Hitler ein Tyrann, der die freien Völker der Erde kriegerisch bedrohte und terrorisierte. Und der Tyrannenmord ist nicht nur moralisch erlaubt, sondern auch ein ethisches Gebot und eine moralische Pflicht. Das US-Todeskommando in Pakistan sehe ich in diesem Zusammenhang in der Tradition von Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der am 20. Juli 1944 versuchte, Adolf Hitler zu töten. ROLAND KLOSE, Bad Fredeburg

■ betr.: „Laden-Schluss“, taz vom 3. 5. 11

Nun isser tot. Der Übeltäter. Dieser Terrorfürst. Echt pervers, wie sich Staatschefs öffentlich über den Tod eines Menschen freuen und sich die Medien daran aufgeilen. Ich bin sicher, dass die Welt nun wieder sicherer ist, und es gibt sicher Menschen, die sicher froh sind, sich nun endlich sicher fühlen zu können. Andererseits: Wäre es nicht interessanter gewesen, dem Mann den Prozess zu machen? Da wäre wohl so mancher Terrorfürst einer demokratisch legitimierten Regierung begeistert gewesen. Mit Sicherheit. ROMAN HOFBAUER, Eichendorf

■ betr.: „Laden-Schluss“, taz vom 3. 5. 11

Merkel freut sich offiziell (!) über Osama bin Ladens Tod, und weltweit gibt es Partys, bei denen sich Leute billigem Patriotismus bis zur Besinnungslosigkeit hingeben. Ein weiterer Tiefpunkt ist erreicht, und wieder mal zeigt der Westen, dass das Gerede von Humanität und Rechtsstaatlichkeit reine Fassade ist. Bis auf die bessere Bildqualität der Aufnahmen erkenne ich keinen Unterschied zwischen Amerikanern, die schäumend vor Freude und Hass „U-S-A“ schreien, und fanatischen Islamisten, die im Nahen Osten „Allahu akbar“ brüllen. DOMINIK IWAN, Hamburg

Die politische Führungsriege der USA sitzt vor den Monitoren und schaut der Tötung Osama bin Ladens, des meistgesuchten Terroristen der Welt, in seiner Villa in Pakistan zu. Präsident Obama verkündet anschließend, dass der Gerechtigkeit damit endlich Genüge getan worden sei.

Vor dem Weißen Haus schwenken kurz darauf hunderte von Patrioten die US-amerikanische Flagge.

Bundeskanzlerin Angela Merkel freut sich. Und auch in vielen Medien ist (klammheimliche) Freude zu verspüren.

Dagegen sind fast alle taz-Leserinnen und taz-Leser sehr skeptisch über das Vorgehen der USA und Merkels Begeisterung. Wie auch laut Umfragen gut über die Hälfte der deutschen Bevölkerung.

Sie hätten sich ein rechtsstaatliches Verfahren gewünscht, und keine Racheaktion.