Markenpiraten sollen es schwerer haben

Bundesregierung und Wirtschaft wollen gemeinsam stärker deutsche Patente schützen. Doch das kann auf Kosten der Entwicklungsländer und des Umweltschutzes gehen. Deshalb fordern Kritiker ein gestaffeltes Patent- und Gebührensystem

VON SABINE GUSBETH

Bundesregierung und deutsche Wirtschaft wollen künftig stärker gegen Produkt- und Markenpiraten vorgehen. Gestern stellten sie dazu Präventionsstrategien vor, die deutsche Unternehmen vor Produkt- und Markenpiraterie schützen soll. Dazu zählen unter anderem neue Chips, die dem Zoll schnellere Kontrollen ermöglichen. Zudem will die Bundesregierung das Thema im Rahmen ihrer G-8-Präsidentschaft auch international stärker in den Mittelpunkt rücken.

Allein im vergangenen Jahr wurden vom deutsche Zoll Fälschungen im Wert von 1,1 Milliarden Euro vom deutschen Zoll beschlagnahmt. „Eine dramatische Entwicklung“, sagt der Wirtschafts-Staatssekretär Bernd Pfaffenbach, denn der Wert habe sich im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht. Weltweit entstehe durch Fälschungen jährlich ein geschätzter Schaden von 120 Milliarden Euro.

Nach Angaben des Industrieverbandes BDI kommen 60 Prozent der gefälschten Waren aus Asien, zunehmend aber auch aus Russland oder der Türkei. Den Großteil des Wertverlustes durch Fälschungen machen nicht kopierte Markenprodukte aus, sondern gefälschte Industriegüter. Deshalb sieht Pfaffenbach den Kampf gegen die Produktpiraten auch als Beitrag, „Wohlstand und Entwicklung zu fördern“.

Fragt sich nur, für wen. Denn Entwicklungsländer, die oftmals auf patentierte Güter angewiesen sind, können sich diese häufig nicht leisten. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fordern deshalb eine flexiblere Handhabung des Patentschutzes zugunsten von ärmeren Ländern. In einem Positionspapier zum G-8-Gipfel fordern deutsche NGOs „ein deutlich geringeres Schutzniveau in Entwicklungsländern im Vergleich zu Industrieländern, insbesondere beim Patentschutz“ .

Die Forderungen beziehen sich besonders auf den freien Zugang zu bezahlbaren Medikamenten. Auch Gebühren für die wiederholte Nutzung eines patentierten Saatgutes lehnen die Initiativen ab, zudem fordern sie frei zugängliche Software, um die Entwicklungsländer nicht von der Wissensgesellschaft abzuschneiden. Auch Michael Frein, Welthandelsexperte beim Evangelischen Entwicklungsdienst (eed) plädiert für unterschiedliche Schutzlaufzeiten in Industrie- und Entwicklungsländern. Auch Preise für Patente, beispielsweise auf Aidsmedikamente, sollten unterschiedlich gehandhabt werden.

Zusätzlich zu Medikamenten sollte Wissen über erneuerbare Energien und Umwelttechnik „so schnell wie möglich in der Welt verbreitet werden“, findet Petra Buhr vom Netzwerk „Freies Wissen“. Technologien wie Umwelttechnik, denen besondere Zukunftschancen zugerechnet werden, will die Bundesregierung aber besonders schützen. Dadurch werden sie für Entwicklungs- und Schwellenländer aber unbezahlbar. Beim daraus entstehenden Zielkonflikt müsse jeweils zwischen Patent- oder Klimaschutz abgewogen werden, so eed-Experte Frein.

Buhr wünscht sich eine Abkehr vom „Kampfbegriff Produktpiraterie“ . Gegen den Schutz von Marken hat sie nichts einzuwenden, denn „ob auf einem Turnschuh nun Nike steht oder nicht, kostet kein Menschenleben“. Durch die Freigabe von Medikamenten, so Buhr, könnten aber Menschenleben gerettet werden.

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