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Archiv-Artikel

„Bedeutsamer Schritt“

Für die Akzeptanz des Rates braucht es Transparenz der Mitglieder, sagt die Wissenschaftlerin Spuler-Stegemann

URSULA SPULER-STEGEMANN, 65, ist Islamwissenschaftlerin und Honorarprofessorin an der Uni Marburg. Sie lehrt Vergleichende Religionsgeschichte und Türkisch.

taz: Frau Spuler-Stegemann, die vier großen muslimische Organisationen haben einen Koordinierungsrat gegründet, um erstmals mit einer Stimme zu sprechen. Ein wichtiger Schritt?

Ursula Spuler-Stegemann: Es ist ein bedeutsamer Schritt, der nun getan wird. Denn damit wurde den Forderungen der Bundesrepublik nachgegeben, endlich einen zentralen Ansprechpartner für die deutschen Muslime zu haben. Allerdings ergeben sich mit der Gründung des Verbandes neue Schwierigkeiten.

Was für Probleme sind das?

Die Verbände vertreten etwa 10 bis 15 Prozent der hiesigen Muslime; das bedeutet: Wir können stolz auf unsere Muslime sein, denn sie erkennen die politischen Strippenzieher und bleiben von den Organisationen weg. Es ist zu konstatieren, dass Verbände, die der Verfassungsschutz ins Visier genommen hat, integrierter Bestandteil des neuen Koordinationsrats sind. Es ist zu hinterfragen, warum problematische Organisationen durch ihre Beteiligung an der im Prinzip zu begrüßenden Islamkonferenz Schäubles auch noch aufgewertet werden; immerhin ist der Innenminister der Chef des Verfassungsschutzes.

Was ist denn an der Zusammensetzung des Koordinationsrats auszusetzen?

Die Teilnahme von Ditib als dem von der Politik bevorzugten Gesprächspartner lässt aufhorchen. Ditib hatte sich bislang immer von den Scharia-Anhängern ferngehalten; nun ist sie mit im Boot. Der offizielle Kurs hat sich offenbar geändert. Man muss voraussetzen, dass diese Annäherung auch von der türkischen Regierung gewollt ist, weil Ditib ja bekanntlich deren verlängerter Arm ist. Man kann also über die hiesigen Gegebenheiten hinaus Rückschlüsse auf verstärkte islamistische Tendenzen der Türkei ziehen.

Warum werden vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen Gesprächspartner der Bundesregierung?

Der Koordinationsrat besteht ja aus Ditib, dem Zentralrat mit seinen diversen, vom Verfassungsschutz observierten Untergliederungen, dem VIKZ, der u. a. wegen seiner illegalen Schülerwohnheime und der Steuerhinterziehung von 40 Mio. Euro immer wieder von sich reden gemacht hat, und dem Islamrat, den die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs dominiert. In den vergangenen 10 Jahren wurde immer wieder antisemitische Hetze von Milli Görüs betrieben, auch unter dem sogenannten jungen Führungskader.

Was erwartet die Bundesregierung denn jetzt?

Die Politik wird jetzt – fast möchte man sagen: endlich – herausgefordert. Bislang hat man sich – siehe Islamkonferenz – um klare Positionen gedrückt; nun ist eine schwer auseinanderzudividierende Gemengelage entstanden. Jetzt haben sie den Salat und müssen schauen, wie sie damit umgehen. Aber auch der Kooperationsrat muss erst unter Beweis stellen, dass dieses Bündnis kein Papiertiger ist und wirklich hält. Will er die Anerkennung, muss Transparenz hier – etwa hinsichtlich der wirklichen Zahlen der Mitglieder und Zuordnung der Moscheen – die erste Konsequenz sein.

INTERVIEW: CIGDEM AKYOL