: Zecke vom anderen Stern
Tonia Reeh macht als Monotekktoni wütende, linke und fantasievolle elektronische Musik
VON ANDREAS HARTMANN
„Love your neighbour? No thanks“. Ein Plattentitel wie ein Spruch, der an die nächste Hauswand gehört. Klingt nach der Aufforderung, nicht einverstanden zu sein mit den Verhältnissen, in denen man so lebt, klingt politmäßig, erst recht, wenn man bedenkt, dass die Platte davor „How To Reduce Power Consumption To A Minimum“ heißt.
Ist Tonia Reeh, die unter dem Namen Monotekktoni gerade ihre dritte Soloplatte veröffentlicht hat, links? „Kann man so sagen“, sagt sie. Sogar so richtig links. Einmal darauf angesprochen, sprudelt es sofort aus ihr heraus – sie spricht von dem Wunsch nach einer anderen Gesellschaftsordnung und davon, dass der Kapitalismus immer perverser werde. Und ja, sie hat Wut im Bauch, auf alles Mögliche. Um was es ihr geht, das bekommt man von ihr einen Tag nach dem Gespräch gleich nochmal schriftlich in den Mail-Posteingang: „Das rauszulassen, was das Innere aufwühlt, sich nicht entmutigen lassen, wenn wieder jemand sagt, gib’s auf – gerade so ein Spruch produziert bei mir die Wut, die als Antrieb dient, Musik zu machen.“
Das Innere, das nach außen will, man kennt diesen Antrieb für Kunst. In der linken Szene – speziell in der Berlins – kommt bei dessen Umsetzung jedoch meist nicht viel mehr als Trottelpunk mit Parolen heraus. Bei Monotekktoni aber mehr, viel mehr. Sie verortet sich nirgendwo konkret, will keiner speziellen Szene ausschließlich angehören und arbeitet viel mit Ironie, Humor und Fantasie, also Dingen, die Linken meist völlig fremd sind.
Dass die Frau von allem Möglichen genervt ist, das hört man so gut in ihrer Musik, dass es manchmal sogar selbst wieder nervt. Denn dieser nie dezente, idiosynkratische Mülleimersound mit kaputtem Charme macht einen fertig, überfordert. Tonia Reeh, die klassisches Klavier und Jazz studiert hatte, bevor sie Punkrock besser fand, drückt auf ihren Soloplatten fast ausschließlich auf einem alten Synthesizer mit eingebautem Sequenzer herum und quengelt sich dazu mal mit deutschem, mal mit englischem Gesang durch Stücke, die Titel tragen wie „Schieß mir ein Loch in den Kopf“. Sie will, so sagt sie, „den Zuhörer kratzen, er soll sagen: Häh?“
Auf der Bühne was bieten
In Berlin gibt es viele Künstlerinnen, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen wie Monotekktoni, die sich auf das Nötigste reduzieren, um ihrer Musik mehr Unmittelbarkeit zu verleihen. Peaches ist eine Zeit lang ausschließlich mit einer Beatbox aufgetreten, bei den Chicks On Speed, bei Planningtorock und Angie Reed kommt die Musik meist gleich ganz vom Band. Die Performance ist wichtiger als unnötiges handwerkliches Können, das als typisch männlich konnotiert wird. Bei Monotekktoni ist es mit der Wertlegung auf die Aspekte „Show“ und „Glamour“ auf der Bühne nicht anders. „Jetzt renn ich zwar rum wie eine Zecke“, sagt sie, „aber auf der Bühne finde ich es wichtig, etwas zu bieten.“ Sie trägt deswegen bei ihren Auftritten immer so einen seltsamen Ganzkörperanzug mit Kapuze, in dem sie aussieht wie ein Wesen von einem anderen Stern.
Planningtorock wird inzwischen von Karl Lagerfeld gehört und Peaches ist sowieso ein internationaler Superstar. Monotekktoni kennt jedoch noch kaum jemand, nicht einmal in Berlin. Dabei ist Tonia Reeh schon unglaublich lange umtriebig und so etwas, was man im auch „Berliner Szenegröße“ nennen könnte. Vor bald 15 Jahren war sie Gründungsmitglied von Das Zuckende Vakuum, einer Band, der man Kultstatus attestieren kann. Später war sie Sängerin und Gitarristin von Masonne, einem ebenfalls zwischen Industrial und Punk changierenden Trio. Vor ungefähr sechs Jahren ging es dann mit dem Soloprogramm weiter: Der Punk-Ansatz von früher wird seitdem von ihr in schroffe elektronische Musik überführt.
Als Monotekktoni tingelt Tonia Reeh seitdem durch die klassischen Örtlichkeiten der linken Berliner Subkultur. Häufig ist sie in der Köpi, im Schokoladen und im Supamolly aufgetreten. Sogar auf Technopartys hat sie gespielt, erzählt sie. Man kann sich schon vorstellen, dass aufgekratzte Raver auf ihre nicht wirklich dem Groove verpflichtete Musik ziemlich entgeistert reagieren – „einmal bin ich auch beworfen worden bei so einer Veranstaltung“.
Tonia Reeh hat also bereits einen langen Weg hinter sich, doch verstärkt Aufmerksamkeit erfährt sie als Monotekktoni erst jetzt. Sie war gerade vertreten auf dem zweiten Teil der „Four Women No Cry“-Compilation des Berliner Labels Monika, die vier Frauen aus der internationalen elektronischen Szene porträtiert. Damit weiß man von ihr nun auch im Ausland, wo verstörende Musik aus Berlin, die man im Zweifelsfall auch mit den Einstürzenden Neubauten in Verbindung bringen kann, erfahrungsgemäß besser ankommt als in Berlin selbst. Zu erfolgreich sollte Tonia Reeh allerdings besser gar nicht werden. Sonst fehlt ihr irgendwann vielleicht doch die Wut, um Musik zu machen.
Monotekktoni: „Love Your Neighbour? No thanks“ (Sinnbus); Record-Release-Konzert heute, 22 Uhr, Bastard