: Nordafrika im Visier der Terrorfahnder
Schon vor den blutigen Anschlägen in Algeriens Hauptstadt galt der Maghreb als größte terroristische Bedrohung für Europa. Die Nato und die USA dehnen ihre Zusammenarbeit mit allen Ländern der Sahara-Sahel-Region aus, um Islamisten zu jagen
AUS MADRID REINER WANDLER
Bei Europol schrillen die Alarmglocken. „Im 21. Jahrhundert ist die terroristische Gefahr für die Mitgliedsländer der Europäischen Union größer denn je“, heißt es in der Präsentation des jüngsten Europol-Berichtes, der wenige Tage vor den Anschlägen von Algier erschien. Letztes Jahr konnten demnach drei Anschlagspläne in Großbritannien, Dänemark und Deutschland vereitelt werden; 257 mutmaßliche radikale Islamisten wurden in der EU verhaftet. „Der Großteil von ihnen stammt aus dem Maghreb“, stellt die Polizeibehörde fest.
Die Radikalen wurden demnach von den algerischen Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf (GSPC), die sich unter dem Namen „Al-Qaida Maghreb“ zu den Selbstmordattentaten in Algier mit 33 Toten bekannte, sowie von den marokkanischen Islamischen Kämpfenden Gruppen (GICM) beeinflusst. Andere stehen Ansar al-Islam im Irak nahe. Auch in den USA ist Algerien und Nordafrika insgesamt längst zentral auf der Landkarte des „Krieges gegen den Terror“. Es ist keine Seltenheit, US-amerikanische Militärflugzeuge auf dem internationalen Flughafen von Algier anzutreffen.
Die USA haben, so scheint es, hauptsächlich die Sahel- und Saharazone zwischen Algerien, Niger, Mali und Mauretanien im Auge. Hier befindet sich einer der Stützpunkte der algerischen GSPC. In deren Ausbildungscamps in der südalgerischen Wüste wurde die al-Qaida Maghreb geschmiedet. Die Entführung von 32 Saharatouristen im Jahre 2003 sowie der Angriff auf eine Kaserne der mauretanischen Armee 2005 zeugen von der Schlagkraft der Gruppe. Über die unmarkierte und unbewachte Wüstengrenze sickern auch Waffen nach Algerien und nach Marokko ein.
Für gezielte Kommandoaktionen der US-Armee ist Algerien der wichtigste Partner in der Region. Kein Land verfügt über eine so gut ausgebaute Infrastruktur in der Sahara. Das algerische Staatsgebiet reicht tief hinein in die Sahelzone und ist anders als die benachbarten Regionen von Mali und Mauretanien mit Straßen, Pisten sowie mit zahlreichen Zivil- und Militärflughäfen gut erschlossen. Kein Wunder, denn hier befindet sich der Reichtum Algeriens: die Erdöl- und Erdgasvorkommen, die Europa versorgen.
Die militärische Kooperation des einst der Sowjetunion nahestehenden Landes mit dem Westen ist längst keine Geheimsache mehr. Stolz berichtet die algerische Regierung auf ihren Websites von Besuchen hoher Nato-Repräsentanten. Vor einem Monat reiste der Präsident des Nato-Militärkomitees, Raymond Henault, nach Algier, um über eine engere Zusammenarbeit zu verhandeln. Gemeinsame Manöver gehören längst zur Tagesordnung. Das wichtigste auf hoher See fand im März 2005 statt.
Doch die Einrichtung permanenter ausländischer Militärbasen in Algerien wird von der dortigen Regierung ebenso abgelehnt wie eine Eingliederung des Landes in das geplante Afrikakommando des Pentagons. Dieses wurde offiziell Anfang Februar in Senegal angekündigt, in Anwesenheit der Generalstabschefs von Mali, Marokko, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Tschad und Tunesien – ohne Algerien.
Die Strategen in der Brüssler Nato-Zentrale stehen vor einem Problem. Eine zu große Annäherung an Algerien würde Bedenken beim Nachbarn Marokko wecken, traditioneller Verbündeter der USA in der Region. Die Regierungen in Algier und Rabat stehen seit der Unabhängigkeit Algeriens 1962 in Konflikt. Zum einen erkennt Marokko die gemeinsame Grenze nicht an. Zum anderen unterstützt Algier die Befreiungsbewegung Polisario, die für die Unabhängigkeit der seit 1975 von Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara streitet. Im algerischen Tindouf nahe der Grenze sitzen 200.000 sahrauische Flüchtlinge und die Exilregierung der Polisario. Marokko wiederum behauptet, die Polisario würde mit bewaffneten Islamisten zusammenarbeiten.