: Brennstoff für Reaktoren so teuer wie nie
Uranpreis überspringt erstmals die 100-Dollar-Marke. Der Rohstoff der Atomwirtschaft ist damit heute 16-mal so teuer wie im Jahr 2000. Denn jedes Jahr wird mehr Uran verbraucht als gefördert. Und die Reserven aus alten Atomwaffen werden knapp
VON BERNWARD JANZING
Der Rohstoff der Atomwirtschaft wird immer teurer: Erstmals hat der Uranpreis in dieser Woche die Marke von 100 Dollar je Pfund überschritten: Aktuell kostet der Stoff 113 Dollar, in der Vorwoche waren es noch 95. Ende des Jahres 2000 hingegen war das Pfund auf dem Weltmarkt noch für 7 Dollar zu haben – das bedeutet einen Anstieg auf das 16-Fache in gut sechs Jahren. Alleine seit August des vergangenen Jahres hat sich der Preis mehr als verdoppelt. Uran wird weltweit in der Einheit des britischen Pfund (= 454 Gramm) gehandelt; der Preis wird einmal pro Woche festgestellt.
Die Preisexplosion ist in der Geschichte der Atomkraft ohne Beispiel und sie kommt selbst für Branchenkenner in diesem Ausmaß überraschend. Als der Preis vor zweieinhalb Jahren bei 20 Dollar stand, hieß es von der französischen Atomfirma Cogema lediglich, 25 bis 30 Dollar seien möglich. Ähnliche Werte prophezeiten im Sommer 2005 die Analysten der Citigroup für das Jahr 2008. Selbst Unternehmen der Branche, wie etwa der französische Areva-Konzern, müssen heute eingestehen, den Preisdruck unterschätzt zu haben.
Grund für den rasanten Preisanstieg ist eine weltweite Verknappung des verfügbaren Urans. Bis etwa um das Jahr 2000 gab es so viel Uran am Weltmarkt zu kaufen, dass viele bekannte Vorkommen nicht erschlossen wurden; zu den damaligen Preisen ließen sich viele Lagerstätten nicht wirtschaftlich ausbeuten. Ausgelöst war das Überangebot wesentlich durch Uran aus Atomwaffen, das mit dem Ende des Kalten Krieges auf den Markt drängte.
Mit dem Überschuss ist es jedoch längst vorbei, da seit Jahren mehr Uran verbraucht als gefördert wird. Einem Jahresbedarf der weltweit 435 Reaktoren von 68.000 Tonnen steht derzeit eine Förderung von nur 40.000 Tonnen gegenüber – den Rest steuern die rapide schmelzenden Lagerbestände bei.
Preistreibend wirken zudem Finanzinvestoren, wie Hedgefonds, die seit zwei bis drei Jahren in diesem Markt mitmischen. Und nachdem auch noch der kanadische Uranproduzent Cameco Corporation bekannt geben musste, dass ein starker Wassereinbruch die Inbetriebnahme der Cigar-Lake-Uranmine im Norden der kanadischen Provinz Saskatchewan um zwei Jahre bis 2010 verzögern wird, wurde der Druck auf den Preis noch größer.
Eine kurzfristige Steigerung des Uranabbaus ist nicht möglich, da die bestehenden Uranminen bereits maximal fördern und neue Minen in nennenswertem Maße erst in einigen Jahren verfügbar sein werden. Eine einzelne neue Grube, die derzeit in Namibia die Förderung startet, wird den Markt noch nicht nennenswert entspannen können. In Südafrika und Kasachstan werden neue Minen frühestens in drei Jahren das radioaktive Metall liefern können. Akteure im Markt rechnen erst ab 2010 mit einer Stabilisierung oder einem Preisrückgang.
Die deutsche Atomwirtschaft benötigt im Jahr etwa 4.000 Tonnen Natururan, also rund neun Millionen Pfund. Aus jedem Pfund Natururan lassen sich in den Reaktoren etwa 20.000 Kilowattstunden Strom gewinnen. Damit schlägt das Uran aktuell mit 0,4 bis 0,5 Euro-Cent je Kilowattstunde Atomstrom zu Buche. Der Brennstoff macht damit schon fast zehn Prozent des Strompreises im Großhandel aus – vor einigen Jahren war es kaum ein Prozent.