: „Kein AOK-Stück“
THEATER Ein Regisseur interviewt Menschen aus der Heroinszene und macht daraus eine Inszenierung
■ 43, ist Regisseur der freien Produktionsgruppe „no budget“. Sie arbeitet ungefördert und in wechselnder Besetzung.
taz: Herr Engler, was bedeutet der Untertitel ihres Stücks „Von Drachenreitern und Affentötern“?
Uwe-Horst Engler: Im Asiatischen heißt es „einen Drachen jagen“, wenn man Opiate zu sich nimmt. Der körperliche Drogenentzug wird umgangssprachlich Affe genannt und den muss man bezwingen, deshalb die Affentöter.
Welche Rolle spielt der Heroinkonsum in Hamburg heute noch?
Die Bedeutung von Heroin ist, wenn man die Interviewten fragt, zurückgegangen. Das liegt unter anderem an der Substitutionsmöglichkeit, die von einigen Interviewten kritisch gesehen wurde. Der Tenor war, dass Substitution kein Allheilmittel sei.
Die offene Drogenszene in St. Georg sorgte in den 90ern für Schlagzeilen. Was hat sich seitdem getan?
Rund um den Hauptbahnhof hat die klassische Gentrifizierung stattgefunden. Das betrifft nicht nur Drogenabhängige, sondern auch Prostituierte oder Alkoholiker, die von dort vertrieben wurden. Die Drogenszene ist weitgehend verschwunden. Wir haben einen anonymen SPD-Politiker dazu gefragt. Er sagte, dass das Ziel damals war, die Drogenszene auf eine Ecke zu verlegen, konkret in die Einrichtung „Drob Inn“, wo Abhängige mitgebrachte Drogen konsumieren können.
Sie haben auch einen Polizisten interviewt, der damals bei Razzien dabei war. Wie ist seine Sicht auf die 90er-Jahre?
Er hat sich damals nur als ausführendes Organ verstanden. Die Zentralisierung der Hilfseinrichtungen fand er gut, weil es die polizeiliche Arbeit erleichtert hat. Darum ging es ja, Leute kontrollierbar zu machen.
Wie unterscheidet sich die Sicht des Polizisten von Erfahrungen der Drogenabhängigen?
Eine Userin hat beschrieben, wie sie von der Polizei misshandelt wurde. Der Polizist beschrieb die gleichen Misshandlungen von der anderen Seite. Was für den einen unglaubliche Schikane war, wie das gezwungene Ausziehen, war für den anderen offensichtlich Dienstalltag.
Was wollen Sie dem Zuschauer mitgeben?
Wir haben uns immer gesagt, wir wollen kein AOK-Stück machen. Lieber wollen wir Fragen aufwerfen, als mit dem erhobenen Zeigefinger anzurücken. Wenn Abhängige einen tollen Rausch schilderten, dann haben wir die Passage nicht wegzensiert.INTERVIEW: NOK
Doku-Theater „Heroinshorle dreifuffzig – von Drachenreitern und Affentötern“: 20 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84