: Große Bescherung für die Fußballfamilie
EM 2020 Die Uefa entscheidet, welche Städte das Jubiläumsturnier ausrichten dürfen. Die strittigen Fragen sind schon ausgekungelt
■ Die Modalitäten: Da die Europameisterschaft auf 24 teilnehmende Teams aufgebläht wurde, also nur noch wenige Länder als Ausrichter einer EM in Frage kommen und überdies die Türkei ihre Bewerbung für 2020 zurückgezogen hat, entschloss sich Uefa-Chef Michel Platini kurzerhand, eine paneuropäische EM in 13 Ländern auszurichten.
■ Die Bewerber: 19 Städte haben sich beworben, darunter Exoten wie Aserbaidschan (Baku), Mazedonien (Skopje), Jerusalem oder Minsk, aber auch Fußballgrößen wie Italien (Rom), England (London), Spanien (Bilbao) und Deutschland (München). Außerdem im Rennen: Brüssel, Sofia, Kopenhagen, Dublin, Amsterdam, Bukarest, St. Petersburg, Glasgow, Stockholm, Budapest und Cardiff.
■ Das Finale: 17 Nationen wollen nur ein Standardpaket, also drei Spiele in der Vorrunde und ein Achtel- oder Viertelfinale, der DFB hat seinen Hut aber auch für die Finalrunde in den Ring geworfen. Einziger Konkurrent ist England mit dem Londoner Wembley-Stadion – wenn der DFB nicht noch zurückzieht.
■ Die Wahl: Um zu gewährleisten, dass die erste paneuropäische Fußball-EM auch wirklich in allen Regionen Europas ausgetragen wird, werden die 19 Kandidaten in geografische Zonen eingeteilt. Das geheime Abstimmungsverfahren besteht dann aus vier Phasen. (taz)
VON JOHANNES KOPP
So viel Kuchenstücke hat die Uefa noch nie zu verteilen gehabt. In Genf werden heute 13 Städte als Spielorte für die Europameisterschaft 2020 auserkoren. Weil insgesamt 19 Städte ihre Bewerbungen eingeschickt haben, wird die Zahl der Gewinner deutlich überwiegen. Anlass für diese besondere Ausgabe des Turniers ist offiziell der 60. Geburtstag des europäischen Fußballverbands. Im Festjahr sollen möglichst viele Länder an der Ausrichtung der EM beteiligt werden. Das klingt nach einer hehren Idee. Und dafür ließ sich Uefa-Präsident Michel Platini bereits als großer Visionär und Europäer feiern. Dass er umgekehrt von der Dankbarkeit der vielen Auserwählten eine gute Weile zehren kann, ist indes mehr als nur ein erwünschter Nebeneffekt.
Große Überraschungen und Streitereien sind bei der heutigen Auswahl nicht zu erwarten. Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat auf der Homepage des eigenen Verbandes bereits angedeutet, wie sich die beiden Schwergewichte, Deutschland und England, bei der Vergabe des lukrativen Finalpakets friedfertig aus dem Weg gehen werden. Etwas verklausuliert trat er den deutschen Rückzug an. Es könne „im Sinne der Einvernehmlichkeit eine Option sein, eine Kampfabstimmung über die Finalserie zwischen London und München im Exekutivkomitee zu vermeiden“. Wembley wäre ein „erstklassiges Stadion für die Finalserie 2020“. Diese Zurückhaltung hat natürlich strategische Gründe. Zuvor hatte Niersbach schon bekundet, was für den DFB oberste Priorität hat: die Ausrichtung der gesamten EM 2024 in Deutschland. England wäre gewiss auch dann einer der wenigen ernstzunehmenden Gegenkandidaten. So begnügt man sich zuvor für die EM 2020 gern auch mit einer Vorrundengruppe in München. Der Zuschlag dafür dürfte nur Formsache sein. In einem Evaluierungsbericht hat die Uefa der bayerischen Hauptstadt bereits gute Noten erteilt.
Die Vergabe von EM-Spielen an exotischere Standorte wird sich vortrefflich mit der Absicht verkaufen lassen, auch kleinere Länder mit einzubeziehen. Entscheidend dürften aber bei der Auswahl machtpolitische Faktoren sein. So kann sich die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gute Chancen ausrechnen, weil der staatliche Ölkonzern Socar als siebtgrößter Sponsor des Länderspielbetriebs der Uefa und großzügiger Unterstützer der Frauen-EM bereits mächtig in Vorleistung getreten ist. Aserbaidschan versucht seit Jahren mit Bewerbungen für sportliche Großevents sein Renommee aufzupolieren. Ähnlich wie Weißrussland, das sich mit seiner Hauptstadt Minsk beworben hat, aber aufgrund der politisch isolierten Stellung kaum Chancen haben dürfte, auserwählt zu werden. Auch auf den Standort Jerusalem werden sich die Uefa-Verbände wohl kaum einlassen. Die palästinensischen Fußballklubs haben gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen bereits an die Uefa appelliert, deren Bewerbung nicht zu berücksichtigen, weil Israel der Forderung von Platini, die Entwicklung des palästinensischen Fußballs nicht zu behindern, bis heute nicht nachgekommen sei.
Spannender hingegen dürfte die Frage sein, wie sich die Uefa im Falle von Russlands Bewerberstadt Petersburg entscheidet, die EM-Spiele in ihrer Gazprom-Arena ausrichten möchte. Hier stehen finanzielle Eigeninteressen des europäischen Fußballverbandes mit der europapolitischen Stimmungslage in Konflikt. Der russische Staatskonzern Gazprom ist einer der Großsponsoren der Uefa, auf deren Zuwendungen man ungern verzichten würde. Andererseits steigt der Druck von politischer Seite. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise hat die EU-Kommission erst kürzlich vorgeschlagen, die Sanktionen auf den Sport auszuweiten und den Boykott der Fußball-WM 2018 in Erwägung zu ziehen. Bislang zeigten sich die Sportfunktionäre von solch geschäftsschädigenden Gedankenspielen unbeeindruckt.