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Archiv-Artikel

Vom Feind zum Freund

Heute vor fünf Jahren wurde Dieter Glietsch zum neuen Polizeipräsidenten gewählt – trotz damals heftiger Ablehnung. Denn er galt als „absolut loyal“ gegenüber der politischen Riege. Eine Bilanz

VON OTTO DIEDERICHS

Wie ein Zauberer das Kaninchen zog Innensenator Erhart Körting (SPD) seinerzeit den neuen Polizeipräsident aus dem Hut. Eigentlich hatten alle mit dem damaligen und heutigen Vizepräsidenten Gerd Neubeck gerechnet. Doch dann, das war heute vor fünf Jahren, kam Dieter Glietsch als neuer oberster Chef der Berliner Polizei. Während er noch vor seiner Nominierung unter heftigem Feuer stand, erntet er heute Anerkennung für seine Arbeit.

Damals jedoch machte sich bei Polizeiführung und -gewerkschaften Unruhe breit. Nahezu alle PolizistInnen der Stadt wollten den ehemaligen Oberstaatsanwalt aus Nürnberg als neuen Boss und der hatte im Auswahlverfahren auch am besten abgeschnitten. Gescheitert war er jedoch am Veto des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit und des damaligen Stadtentwicklungssenators Peter Strieder (beide SPD). Die trauten dem parteilosen, aber als konservativ geltenden Neubeck nicht über den Weg. Also wurde das Verfahren kurzerhand verlängert und brachte einen neuen Sieger: Glietsch. Der langjährige Vertraute des ehemaligen Innenministers Herbert Schnoor (SPD) galt und gilt innerhalb der Polizei als „gegenüber der politischen Schiene absolut loyal“.

Nahezu unmittelbar nach seiner Amtseinführung machte sich der ehemals ranghöchste Beamte aus Nordrhein-Westfalen sofort daran, die Führungsstrukturen der Polizei zu ändern und Ämter abzuschaffen. „Die Pläne hatte der doch schon in der Tasche“, hieß es sofort in der Teppichetage im Präsidium am Platz der Luftbrücke. Der „Sparkommissar“ und das „Seziermesser“ waren geboren, und dieser Ruch haftet Glietsch weiter an. Da wundert es nicht, dass schon bald ein anonymer „Intimus“ verbreitete, Glietsch habe doppelte Gehälter kassiert und nicht gemeldet. Die Sache entpuppte sich zwar schnell als Buchungsfehler, doch das Misstrauen blieb.

Denn der neue Chef setzt die Vorgaben des rot-roten Senats beinhart um: Personalabbau bei gleichzeitiger Nachwuchsreduzierung, die Auflösung einer ganzen Polizeidirektion und die stadtweite Zusammenlegung von Polizeiabschnitten. Aktuell steht die Auflösung von zwei Hundertschaften an. Dass dies zumeist nicht gut für die Sicherheit der Stadt ist, bestreitet kaum jemand. Andererseits sei ihm bei den „politischen Sparvorgaben nicht alles anzulasten“, sagt selbst der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Rolf Kaßauer. Auch die SPD-Innenpolitikerin Anja Hertel meint heute selbstkritisch: „Wir haben als Politik auch viel reingemodelt in die Polizei.“

Doch so einiges muss sich der Polizeipräsident auch selbst anlasten lassen. Seine Straffung der Führungsstrukturen etwa hat nicht dazu geführt, dass hier nun weniger Beamte tätig sind und „Entscheidungswege verkürzt werden“. Die Beamten wurden lediglich umverteilt, zum Teil sogar aufgestockt. Projektgruppen, Steuerungs- und Kontrollgruppen gebe es inzwischen im „Übermaß“, während auf der Straße die Schupos fehlen, beklagen PolizistInnen. „Kurze Wege sind seine Sache nicht“, sagt dazu Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Ebenso murren BeamtInnen zunehmend über seinen „autoritären Führungsstil“. Auch bei seiner Personalpolitik hat Dieter Glietsch nicht immer eine glückliche Hand. Und in Hinsicht der anfänglichen Transparenz und einem offenem Umgang mit der Presse machen sich ebenfalls Veränderungen bemerkbar. Zuletzt bei seiner Pressekonferenz zu den Polizeipannen beim (Klein-)Krawall in der Rigaer Straße Ende März, auf der Glietsch kritisch nachfragende Journalisten flugs als „Bordsteinkommandanten“ abkanzelte.

Nach fünf Jahren auf dem Chefsessel der Berliner Polizei wird die Haut von Dieter Glietsch offenbar dünner. Zum Lachen geht der oberste Polizist heute „nicht mehr in den Keller“, stattdessen verschafft er sich den Ruf eines „grinsenden Monsters“. Natürlich ist das ebenso falsch, doch für den Rest seiner noch mindestens dreijährigen Amtszeit muss Dieter Glietsch wohl an sich arbeiten, um nicht wieder dort anzukommen, wo er gestartet ist.