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Archiv-Artikel

So klappt’s auch …

... mit dem Adel

VON JANE KITZTAL (TEXT) UND ELÉONORE ROEDEL (ILLU)

Um sich zu fragen, wie es mit diesem Adel klappen könnte, muss man wohl bürgerlich sein. Weit gefehlt! Auch mir treibt eine Einladung zu „Adels“ regelmäßig den Blutdruck nach oben. Dabei bin ich mit einen Stammbaum wie ein anständiges Rennpferd unterwegs und ja, als Kind habe ich in einem Schloss gewohnt. Es war zugig. Womit wir gleich beim ersten Tipp wären: Das Gespräch nach dem gegenseitigen Vorstellen direkt auf Besitztümer zu bringen, taugt nur, wenn es bei dieser einen Unterhaltung bleiben soll. Ich frage ja auch nicht danach, ob Ihre Familie noch immer den Lieferanteneingang nimmt. Wer nicht explizit danach verlangt, sollte nicht zum Paradiesvogel gemacht werden.

Wir nehmen also an, mit einer dieser herrlich altmodischen Einladungen auf den Knien in unserer zugemüllten WG zu sitzen. Jemand „bittet“ uns zu sich. Kundig sucht unser Auge nach Hinweisen auf den Dresscode: Wir wissen, dass man abends eher kein knielanges Kleid trägt und in der Kirche die Schultern bedeckt zu halten sind. Falls wir vergessen haben, wie das mit den Kleidervorschriften noch mal geht, rufen wir unsere Großmutter an oder bemühen das Internet. Im Notfall: Tagsüber einen Schottenrock mit Bluse anziehen, so hat schon Gloria von Schönburg-Glauchau beim Fürsten von Thurn und Taxis vorgesprochen. Und am Abend ein Kleid, was Langes, ohne Glitz und Bling. Modisches Understatement, früher bekannt als Sparsamkeit, ist beliebt. So ein richtiges adeliges Get-Together ist nicht der richtige Ort, um seine Persönlichkeit durch Mode auszudrücken. Vielmehr ist so eine Einladung die Gelegenheit, sich ganz unironisch in etwas von der Mutter Geerbtes zu werfen.

Nach dem Eintreffen vergewissern wir uns, wo auf der sozialen Skala wir stehen: Sind wir bei Verwandten zu Gast? Kennt uns jemand? Denn in jedem Fall kommt jetzt der sehr wichtige Part des Sichvorstellens. „Darf ich mich vorstellen?“, ist exakt die richtige Frage. In einer Gesellschaft, die viel Wert auf Umgangsformen legt, wird niemand diese Frage mit „Nein, danke“ beantworten. Natürlich machen wir es hier genauso wie überall sonst auch: Wir warten, bis wir dran sind, geben artig die Hand und sehen dabei der anderen Person freundlich in die Augen. Wir begrüßen Damen zuerst und sagen unseren vollen Namen und wie wir mit den Gastgebern bekannt sind. Manchmal darf auch die erwachsene Frau noch einen Knicks machen, jedoch nur vor einer altehrwürdigen Dame. Aber keine Sorge: Eine solche wird da sein. Man erkennt sie an dem Kreis der anderen, die sich ihr vorstellen.

Nachdem das so gut gelaufen ist, nehmen wir Platz. Es empfiehlt sich, vorher den Tisch zu umrunden, um die Namen der anderen von den Tischkarten abzulesen. Das machen alle, keine Sorge. Bei Tisch halten wir uns gerade. Das kann man nicht oft genug sagen. Eine anständige Haltung signalisiert Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Das Besteck bereitet heute ja niemandem mehr Probleme, aber leider sieht man häufiger Menschen, die ihrem Tischnachbarn über den Teller greifen. Das tun wir nicht, sondern bitten um die Sache, die wir wollen, was uns erneut Gelegenheit zur Kontaktaufnahme bietet.

Wahrscheinlich werden wir nun Zeuge einiger Anekdoten, die allen anderen bereits bekannt sind. Hier ein Beispiel: Der Honorarkonsul der gabunischen Republik wurde in Wien einst von einem Kellner gebeten, seine Zigarette zu löschen, doch der schwerhörige alte Herr missdeutete die Geste des jungen Mannes und aschte in dessen Hand. Köstlich! Die Geschichten haben häufig etwas mit Grenzübertritten von Personen zu tun, deren Betragen niemand in Zweifel ziehen könnte.

Das Ritual der Wiederholung salbt die Bande untereinander und ist in modifizierter Form auch bei Jugendlichen an der Bushaltestelle zu beobachten. Wir wissen, wie Teilnehmen hier funktioniert: In mittlerer Lautstärke mitlachen, anwesend sein, vielleicht etwas fragen. Wenn wir an der Reihe sind und die Augen sich auf uns richten, sprechen wir unverzagt: Denn genau so exotisch, wie die Szenerie auf uns wirken mag, ist für die anderen jetzt unsere Erzählung von der Fasanen-Rupf-Maschine, die unser Vater in den 90er Jahren in der Garage entwickelt hat.