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Archiv-Artikel

Preußens Gloria bröckelt

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kündigt Masterplan zum Erhalt ihrer 300 Anlagen in Berlin und im Umland an. 730 Millionen Euro für die Sanierung nötig. Kulturausschuss tagte in Sanssouci

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es ist eher die Ausnahme, dass Hartmut Dorgerloh, der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG), persönlich durch seine alten Gemäuer führt. In den Genuss des exklusiven Rundgangs gelangte gestern der Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Dorgerloh steuerte die Parlamentarier samt dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) durch das Neue Palais im Park von Sanssouci, hatten sich doch dort die Abgeordneten mit der Stiftung und brandenburgischen Kollegen zum Thema Zukunft und Erhalt der rund 300 Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg verabredet.

Zwar ist es eine schöne Sache, wenn durch Räume und Depots geführt wird, die Besuchern sonst verschlossen bleiben. Der Anlass war allerdings erschreckend. Dorgerloh legte den Sanierungsbedarf und die Beschädigungen des 1769 erbauten Schlosses offen: Das Neue Palais ist dramatisch vom Zerfall bedroht. „Seit 150 Jahren mangelt es an Bauerhaltung“, sagte Dorgerloh. Im undichten Gemäuer sitze „an vielen Stellen der Schwamm“, Decken, Wände und Böden zeigten tiefe Risse. Die Heizungsanlage ist defekt, der Putz bröckelt und die Wandbespannung wird von Insekten zerfressen. Andere Sanssouci-Stätten sind ähnlich marode.

Nicht nur für den Erhalt des Neuen Palais, auch für die übrigen Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg sind Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro nötig, so die aktuellen Berechnungen der Stiftung. Allein für Soforthilfen für marode Häuser und heruntergekommene Parks müssten 285 Millionen Euro bis 2020 aufgewendet werden, konkretisierte Dorgerloh. Der Gesamtbedarf für Bauten und die Gärten liege bei 730 Millionen Euro.

Noch im Mai, kündigte der Generaldirektor an, werde die Stiftung „einen Masterplan für ihre Sanierungsprojekte vorlegen“. Danach sollte entschieden werden, welche unmittelbaren Investitionen gemacht werden müssten. In erster Linie plane die Stiftung, das Neue Palais, Schloss Charlottenburg sowie Schloss Babelsberg zu sanieren. Das Schloss Charlottenburg solle zu einem repräsentativen Ort renoviert werden. Zum Erhalt der Parks und Gärten mit insgesamt 800 Hektar seien 43 Millionen Euro notwendig, so Dorgerloh.

Alice Ströver (Grüne), Vorsitzende des Kulturausschusses, sah angesichts dieser Dimensionen eine „Jahrhundertaufgabe“ auf die Stiftung zukommen. Weil beide Länder leere Haushaltskassen hätten, forderte Ströver für Schlösser-Investitionen mehr Engagement vom Bund. Der Haushalt der Schlösserstiftung – an der sich Berlin, Brandenburg und der Bund jeweils beteiligen – umfasst derzeit rund 48 Millionen Euro jährlich.

Wowereit sagte während der Sitzung eine Beteiligung des Landes an der Sanierung der Schlösser und Gärten, die jährlich von mehreren Millionen Besuchern frequentiert werden, zu. Zwar sei auch der Bund in der Pflicht, doch „Berlin ist sich seiner Verantwortung für das preußische Erbe bewusst“, so Wowereit. Der Finanzbedarf werde in den Beratungen für den Doppelhaushalt 2008/2009 berücksichtigt, Zahlen nannte Wowereit nicht. Er forderte aber die Stiftung auf, Prioritäten zu setzen, „denn alles, was wünschenswert ist, geht nicht“.

Selbst PDS-Mann Wolfgang Brauer, eigentlich unverdächtig, was feudale Dinge angeht, outete sich als Fan der Preußenschlösser und forderte Unterstützung. „Wenn wir solche Perlen haben, warum um Himmels willen wollen wir noch Schlösser bauen!“