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Archiv-Artikel

Sehr fixiert auf die USA

AL-QAIDA US-Geheimdienst wertet Notizen Osama bin Ladens aus. Darin beschäftigt er sich mit möglichen Anschlägen in den USA und dortigen neuen Rekruten für al-Qaida

Bin Laden wollte in den USA Latinos und Afroamerikaner für al-Qaida rekrutieren

AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM

In dem sichergestellten Material aus dem Haus Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad waren nach US-Medienberichten auch dessen Notizbücher. Wie ungenannte Geheimdienstmitarbeiter US-Medien berichteten, habe sich der getötete Al-Qaida-Chef darin hauptsächlich mit den USA befasst. Die Aufzeichnungen sollen auch belegen, dass bin Laden aus seinem Versteck heraus aktiv als Pate und Strippenzieher des Terrornetzwerks operierte.

Ein handgeschriebenes Notizbuch und zahlreiche Computerdateien enthielten Ausführungen über die Doktrin al-Qaidas, über mögliche Terrorziele sowie Angaben, wie Angriffe durchzuführen seien, berichteten US-Medien am Donnerstag. Bin Laden soll dabei vor allem besessen von der Idee gewesen sein, die USA erneut zu treffen. Er habe nach Wegen gesucht, Anschläge vom Ausmaß des 11. September 2001 auszuführen, berichtete die Washington Post.

In den Notizen hätten die Ermittler auch die bereits bekannt gewordenen Hinweise darauf gefunden, dass al-Qaida zum zehnten Jahrestag von 9/11 Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel in den USA im Auge hatte. Allerdings handele es sich nicht um konkrete Planungen, sondern eher um „die Ideen“ bin Ladens, wie ein US-Beamter dem TV-Sender CNN sagte. Auch nationale amerikanische Feiertage wie der Unabhängigkeitstag am 4. Juli seien als Gelegenheiten für einen Schlag genannt gewesen.

Regelmäßig habe bin Laden Al-Qaida-Vertraute kontaktiert, darunter auch den Mann, der als sein Stellvertreter gilt, den Ägypter Aiman al-Sawahiri. Bin Laden soll seine Gefolgsleute angehalten haben, Nichtmuslime zu rekrutieren, die in den USA unterdrückt würden. So habe er Afroamerikaner oder Latinos im Visier gehabt, um mit ihrer Hilfe „Amerika schwach zu machen“, sagte ein Geheimdienstler der Washington Post. Die Fixierung auf die USA und die westliche Welt habe dem Terrorchef Kritik aus den eigenen Reihen eingebracht. Einige hätten sich stattdessen dafür ausgesprochen, weniger riskante Anschläge in Ländern wie Somalia, Algerien oder dem Jemen auszuführen.

Bin Laden habe das aber nicht interessiert. „Er ist mit der Zeit faul und selbstgefällig geworden“, so ein Agent. „Ich glaube nicht, dass er dachte, er würde in diesem Haus überwältigt werden.“ Bin Laden habe nach Erkenntnissen der Ermittler weder Fluchtpläne für den Ernstfall gehabt noch Vorkehrungen getroffen, seine Aufzeichnungen im Fall des Falles zu vernichten.

Sie fielen dem US-Spezialkommando in die Hände, das am 2. Mai das Versteck bin Ladens nördlich der pakistanischen Hauptstadt stürmte und den meistgesuchten Terroristen der Welt tötete. Zahlreiche Agenten sollen in der Geheimdienstzentrale in Nord-Virginia damit beschäftigt sein, Hunderte gesicherter Schriften und Computerdateien aus dem Arabischen zu übersetzen und auszuwerten. „Wir werden darin keine Anleitungen für Anschläge finden“, so ein Beteiligter. Bin Laden habe als Chef gedient, „der generelle, weitläufige Instruktionen und Richtlinien ausgab – aber keine taktischen Weisungen“.