Chinas Völkermordspiele

Die KP-Mächtigen in Peking reagieren äußerst nervös auf eine Kampagne in den USA, in der die Olympischen Spiele 2008 mit dem Flüchtlingselend in Darfur in Zusammenhang gebracht werden

AUS PEKING GEORG BLUME

Kann es sein, dass Chinas mächtiger KP-Chef Hu Jintao derzeit erpressbar ist? Wenn es um den guten Ruf von Olympia 2008 in Peking geht, scheint Hu jedenfalls zu allem bereit – sogar dazu, dem humanistischen Rat alternder Hollywood-Stars wie Mia Farrow und Steven Spielberg zu gehorchen. Letzterer dient als künstlerischer Berater für die Olympischen Spiele in Peking. Anfang April schrieb Spielberg Hu einen Brief, in dem er das Töten im sudanesischen Darfur verurteilte und die chinesische Regierung bat, ihren Einfluss im Sudan zu nutzen, „um das menschliche Leid dort zu stoppen“. Daraufhin entsandte Peking prompt Vizeaußenminister Zhai Jun zur Inspektion in die von China bis dahin kaum beachteten Flüchtlingscamps in Darfur. Es war Pekings bislang deutlichste Geste in Richtung der sudanesischen Vertreibungsopfer, deren Schicksal den KP-Mächtigen bis dahin herzlich gleichgültig schien.

Aufgeschreckt hatte die chinesische Regierung nicht nur der Spielberg-Brief. Ihm war Ende März eine Anklageschrift von Mia Farrow im Wall Street Journal vorausgegangen. Darin warf die Schauspielerin Peking aufgrund des Tötens in Darfur die Organisation eines „Völkermord-Olympia“ vor. „Es gibt einen Albtraum, den China nicht länger unter den Teppich kehren darf. Dieser Albtraum ist Darfur“, schrieb Farrow. Zugleich kritisierte sie Steven Spielberg aufgrund seiner Beraterfunktion als „Leni Riefenstahl der Pekinger Spiele“. Die deutsche Regisseurin hatte einst die Olympischen Spiele 1936 unter Hitler in Berlin verfilmt. Spielberg fühlte sich offenbar getroffen und wandte sich umgehend an KP-Chef Hu.

Der Sudan als Olympia-Thema? Darauf war Peking nicht vorbereitet. China ist Sudans größter Ölabnehmer und stützt mit vielen Handelsverträgen und manchen Waffenlieferungen die Regierung in Khartoum. Diese aber gilt als größter Schuldiger der Flüchtlingskrise in Darfur, wo bereits zwischen 200.000 und 400.000 Menschen starben und 2,5 Millionen ihr Obdach verloren. Auch westliche Regierungen und die Vereinten Nationen haben deshalb China bedrängt, seine Einflussmöglichkeiten im Sudan zu nutzen – doch offenbar weniger erfolgreich als Hollywood. „Chinas Wende könnte als klassische Studie dafür dienen, wie eine Öffentlichkeitskampagne zum richtigen Zeitpunkt erreicht, was Jahre der Diplomatie nicht erreichen konnten“, jubelte nun die New York Times. Und selbst Mia Farrow bezeichnete Chinas Reaktion im positiven Sinne als „außergewöhnlich“.

Ob aber den Flüchtlingen in Darfur mit der Intervention des chinesischen Vizeaußenministers wirklich gedient war? Jedenfalls gab es zuletzt kleine Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen UNO, Afrikanischer Union und Sudan über die Verstärkung der Friedenstruppen in Darfur. Sanktionen gegen Sudan aber, wie von westlichen Darfur-Aktivisten gefordert, lehnt China weiter ab. Die Kampagne gegen das chinesische „Völkermord-Olympia“ ist deshalb nicht zu Ende. Schon ist geplant, dass Athleten eine Art olympische Fackel von Darfur bis zur chinesischen Grenze tragen. Amerikanische Kritiker werfen der Kampagne indes eine neokonservative Schlagseite vor: sie verteufle China und lenke vom US-Handel mit Diktatoren ab.

Doch Pekings kommunistischen Olympia-Bürokraten graut schon vor der nächsten Sudan-Aktion. „Diejenigen, die Olympia mit Darfur verbinden, sind entweder Ignoranten oder haben schlechte Absichten“, klagte der von seiner Sudan-Reise noch sichtlich mitgenommene Vizeminister Zhai nach seiner Rückkehr. Aber Klagen helfen nicht, wenn man erpressbar ist.