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Archiv-Artikel

Streit über Finanzierung von Gedenkstätte Sobibor

FINANZEN Deutschland soll sich an Instandhaltung der Gedenkstätte beteiligen, fordert deren Leiter

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Das unscheinbare Schild an der Straße von Wlodawa nach Chelm in Ostpolen ist leicht zu übersehen. „Sobibor. Gedenkstätte“ steht drauf. Der Pfeil weist in den Wald. Nach rund sechs Kilometern geht die Straße in einen holprigen Feldweg über. Schließlich tauchen die ersten Häuser auf, dann eine Bahnrampe und ein vom Rost zerfressenes Schild: „Sobibor“. Einst stand diese Rampe und das Schild mitten im Vernichtungslager. Hier ermordeten die Nazis 1942 und 1943 rund 250.000 Juden.

An Flucht war damals kaum zu denken. Dennoch wagten einige Häftlinge Mitte Oktober 1943 den Aufstand, töteten zwölf SS-Männer und zwei ukrainische Wachleute und flohen. Nur wenigen gelang eine erfolgreiche Flucht. Nur 47 von den 365 Flüchtlingen überlebten den Krieg. Die Nazis schlossen nach dem Aufstand das Lager, verbrannten die Baracken, zerstörten die Gaskammern und Krematorien und forsteten die 60 Hektar mit jungen Bäumen wieder auf. Was blieb, war die unverdächtig aussehende Bahnrampe mit dem Schild „Sobibor“.

Nur einem kleinen Teil der Täter wurde später der Prozess gemacht. Darunter dem Lagerleiter, SS-Obersturmbannführer Franz Stangl, und jetzt dem früheren Wachmann John Demjanjuk (siehe Text rechts).

Anfang Mai drohte der Gedenkstätte wegen Geldmangels die Schließung. Zwar hatte das Warschauer Kulturministerium die Gedenkstätte vom Landkreis in Wlodawa übernehmen wollen, dann aber den Termin auf den 1. Januar 2012 verschoben. Für die Übergangszeit hatten weder Polens Kulturminister noch der Landrat von Wlodawa eine Finanzierung vorgesehen. Erst als der Leiter der Gedenkstätte Marek Bem vor einem internationalen Skandal warnte, fanden die Politiker eine Lösung. Bem fordert eine Beteiligung Deutschland an den jährlich anfallenden Kosten und fragt: „Warum müssen eigentlich wir Polen für die Instandhaltung der NS-Vernichtungslager und KZs bezahlen, die die Deutschen in unserem Land errichteten?“

Seit Kriegsende kommt Polen allein für die Instandhaltung der ehemaligen deutschen Vernichtungslager auf. Seit 2008 gibt es ein Gedenkprojekt für Sobibor, an dem sich Polen, Israel, die Niederlande und die Slowakei beteiligen. Nicht dabei sind Deutschland und Österreich.