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Archiv-Artikel

Gutes Protestklima in New York

ERDERWÄRMUNG Vor einer Großdemonstration in Manhattan kritisiert Naomi Klein auch die Linke: Relevanz lange nicht erkannt

Einige Aktivisten machten sich in Los Angeles auf den Weg – zu Fuß

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Die UNO erwähnen sie allenfalls, um zu sagen: „Ihre Klimapolitik ist seit 19 Jahren gescheitert.“ Und auch von US-Präsident Barack Obama reden sie nur, weil dessen großen klimapolitischen Ankündigungen allenfalls kleine Taten gefolgt sind und er es in fünf Jahren nicht einmal geschafft hat, eine Entscheidung über die Keystone-Leitung zu fällen, die schweres Öl aus den Teersanden in Kanada in die Raffinerien am Golf von Mexiko bringen soll. Klimapolitik betrachten die UmweltschützerInnen als Frage des Überlebens und als eine Sache des Volkes. Ihrer Demonstration, die am Sonntag durch Manhattan ziehen sollte, haben sie den Titel „People’s Climate March“ gegeben. Sie hoffen, dass es die „größte Klimademonstration der Geschichte wird“. Die VeranstalterInnen aus mehr als 1.400 Organisationen hofften auf rund 100.000 TeilnehmerInnen.

Doch in den Augen der UmweltschützerInnen haben nicht nur die BerufspolitikerInnen angesichts der Erderwärmung versagt. Die kanadische Autorin Naomi Klein, eine der HauptsprecherInnen am Ende der zweitägigen Konferenz „Climate Convergence“, beschrieb am Samstagabend auch Fehler in den eigenen Reihen. „Es ist tragisch, dass die Linke den Klimawandel den Umweltschützern überlassen hat.“ Ende der achtziger Jahre wäre ein reformistischer Weg in der Klimapolitik noch möglich gewesen. Heute aber, so Klein, „liegt keine Option mehr auf dem Tisch, die nicht radikal ist.“

Im Jahr 1988 hatte der angesehene Nasa-Wissenschaftler James Hansen erstmals vor dem US-Kongress von einem Zusammenhang zwischen menschlichem Treiben und globaler Erderwärmung gesprochen. Im Folgejahr fiel die Mauer in Berlin, und die VerfechterInnen des „freien Marktes“ setzten zu massiven Privatisierungen in Energieversorgung und Transportwesen an.

Gleichzeitig unterzeichneten die USA ein Abkommen mit Kanada und Mexiko, das wenige Jahre später in den Nafta-Freihandel münden sollte.

25 Jahre später sucht Klein nach Antworten auf die Frage, warum die Linke sich damals aus der Klimaschlacht zurückgezogen hat. „Der Marktfundamentalismus“, sagt Klein am Samstag von der Kanzel der St.-Peter-Kirche in New York, „kann nur von uns und radikal gestoppt werden.“

Zuvor hatten UmweltschützerInnen zwei Tage lang in Dutzenden von Seminaren die bereits eingetretenen und zu befürchtenden Konsequenzen des Klimawandels untersucht. Unter den TeilnehmerInnen sind auch Opfer von bereits eingetretenen Klimakatastrophen: New YorkerInnen, die beim Hurrikan „Sandy“ im Jahr 2012 ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. SüdstaatlerInnen, denen die Rekordhitzen, Dürren und Waldbrände der letzten Jahren zu schaffen machen.

„Von der Machtelite erwarte ich genauso wenig wie von der UNO“, sagt der 25-jährige Mackensie McDonald. Am 1. März hat er sich zusammen mit anderen UmweltschützerInnen in Los Angeles auf den Fußweg in die US-Hauptstadt Washington gemacht. Sie verlangen „Klimagerechtigkeit“ und ein Ende der fossilen Brennstoffe als Basis der Ökonomie.

Für die Demonstrationen und Debatten am Wochenende haben die Klima-WandererInnen ihren langen Fußweg unterbrochen und sind für ein paar Tage nach New York gekommen.

Im Vorfeld der Demonstration haben Umweltschutzverbände und KapitalismuskritikerInnen viel über die Ziele gestritten, ohne sie wirklich zu definieren. „Es ist besser als zuvor, aber nicht perfekt“, sagt Naomi Klein. Und warnt: Wenn die Bewegung nur um Hilfe rufe, ohne sich über die eigenen Ziele klar zu sein, dann drohe eine vermeintlich „rettende“ Antwort von der anderen Seite mit noch mehr toxischen Stoffen: „AKWs, Biokraftstoff und Geotechnik“.