: Regimetreu bis zum Schluss
Die Düsseldorfer Polizei war tief in NS-Verbrechen verstrickt. Allein 700 Beamte waren Mitglieder einer SS-Division, sagen Historiker. Ein spektakulärer Aktenfund machte ihre Forschungsarbeit erst möglich. Sogar Yad Vashem ist interessiert
Die Ausstellung: Seit dieser Woche wird im Polizeipräsidium am Jürgensplatz eine Dauerausstellung gezeigt: „Transparenz und Schatten“. „Es gehört zum Selbstverständnis einer modernen Polizei, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen“, sagt Polizeipräsident Herbert Schenkelberg.
Das Buch: „Dienst am Volk“? heißt das Fachbuch zur Geschichte der Polizei Düsseldorf zwischen 1919 und 1949 und zur Ausstellung, herausgegeben von Carsten Dams, Klaus Dönecke und Thomas Köhler (Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt 2007, 415 S., 19,80 Euro).
Der Film: In ihrem Werbefilm „Dienst am Volk“ von 1930 präsentiert sich die Polizei ganz zivil als Freund und Helfer. Der wiederentdeckte Film liegt als DVD in Original und neu vertonter Fassung dem Buch bei. DET
VON DIRK ECKERT
Es war ein Zufallsfund: Ende der 1990er Jahre wurden bei Brandschutzbauarbeiten im Düsseldorfer Polizeipräsidium alte Akten entdeckt. Jahrzehnte lang lagen sie schon auf dem Speicher des 1933 fertig gestellten Polizeipräsidiums. Es handelte sich um Personalakten einfacher Polizeibeamter aus den Jahren zwischen 1919 und 1949, also von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Für Historiker ist der Fund ein Glücksfall. „Die Mannschaftsdienstgrade werden oft nicht aufbewahrt“, erklärt Thomas Köhler. Der Historiker von der Uni Münster gehört zu denen, die sich seit 2003 durch 50 Meter Aktenbände mit rund 2.000 Personalakten gewälzt haben. Was die Forscher dabei herausgefunden haben, ist künftig in einer Dauerausstellung im Polizeipräsidium zu sehen (siehe Kasten).
„Die uniformierte Polizei war Teil der Maschinerie und systematisch in die NS-Verbrechen verstrickt“, sagt Köhler. Die Zahl ihrer Verbrechen, so seine Einschätzung, dürfte „in die Tausende“ gehen. Polizisten aus Düsseldorf organisierten zum Beispiel die Deportationen von Juden oder waren an Massakern und Massenerschießungen beim Vernichtungskrieg in Osteuropa beteiligt. Insgesamt waren zwischen 1939 und 1945 rund 1.200 Düsseldorfer Polizisten im „auswärtigen Einsatz“, davon allein 700 bei der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division.
Die Nazis konnten sich auf die deutsche Polizei verlassen. So sehr, dass sie nach 1933 nur wenige Beamten aus dem Dienst entfernt haben. „Die Polizei war antikommunistisch eingestellt, das haben sich die Nazis zunutze gemacht, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen“, sagt Carsten Dams, Historiker der Dokumentations- und Forschungsstelle für Polizei und Verwaltungsgeschichte in Münster. Dams hat an der Erforschung der Düsseldorfer Akten mitgewirkt, seit 2003 ist er an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit der Aufarbeitung der Geschichte der nordrhein-westfälischen Polizei beschäftigt. Seine Arbeitsergebnisse fließen dann in die Ausbildung junger Polizisten ein, aufbereitet je nach Unterrichtsfach.
Auch noch kurz vor der militärischen Niederlage 1945 stand die Düsseldorfer Polizei in der Regel treu zum NS-Regime, so Dams. Zwar versuchte der Kommandeur der Düsseldorfer Schutzpolizei, Franz Jürgens, am 16. April 1945, die Stadt an die Amerikaner zu übergeben. Er wurde aber noch am selben Tag erschossen. „Jürgens ist ein Einzelfall“, sagt Dams. „Große Absatzbewegungen gegen Kriegsende lassen sich nicht nachweisen.“
Nach dem Krieg konnten viele Polizisten ihre Karrieren fortsetzen. Anders als die Sowjets in ihrer Zone tauschten die Briten nur etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Beamten aus. „Viele, die sich an Verbrechen beteiligt haben, wurden wiedereingestellt“, sagt Dams. Manche Beamte haben es, das zeigt die Auswertung der Düsseldorfer Akten, von der Weimarer Republik über die NS-Herrschaft bis in die Bundesrepublik geschafft. In den 1950er und 1960er Jahren hätten Staatsanwaltschaften zwar einige Verfahren angestrengt. Diese hätten aber oft nicht zu Verurteilungen geführt. Absprachen unter Kameraden, gegenseitig ausgestellte, wohlwollende Zeugnisse, aber auch fehlende Nachweise für die individuelle Schuld waren unter anderem die Gründe dafür, sagt Dams.
Die Erforschung der Düsseldorfer Polizeiakten wird auch international aufmerksam registriert. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat Kontakt aufgenommen und will die Düsseldorfer Forschungen für eine Lehrerfortbildung nutzen. „Die Ausstellung hat uns überzeugt“, sagt Susanne Urban von der Internationalen Schule für Holocaust-Studien von Yad Vashem. Dass auch Düsseldorfer Polizeibeamte etwa in Massenerschießungen in Osteuropa verwickelt waren, hat sie zwar nicht überrascht. „Zum Beispiel durch Zeugenaussagen war uns die Beteiligung der einfachen Polizisten durchaus bekannt.“ Aber wie die Düsseldorfer Polizei ihre Geschichte aufarbeite, das sei „in dieser Akribie und Offenheit schon erstaunlich“.