: Elbvertiefung ist rechtswidrig
Sieben Jahre nach Abschluss der Baggerei sind nur zwei von zehn Ausgleichsmaßnahmen vollständig umgesetzt, heißt es beim WWF. Dabei hat sich der ökologische Zustand des Stroms verschlechtert
VON GERNOT KNÖDLER
Bei der jüngsten Elbvertiefung ist das Bundesnaturschutzgesetz gebrochen worden. Wie die Umweltorganisation WWF gestern mit einer Studie belegte, haben der Bund und die beteiligten Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den ökologischen Schaden bisher nicht ausgeglichen – und das obwohl die neue Fahrrinne bereits 1999 freigegeben wurde. Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt einen Ausgleich in einer „angemessenen Frist“ vor. Die geplante weitere Vertiefung des Flusses sei „vor diesem Hintergrund unverantwortlich“, sagte Beatrice Claus vom WWF.
Von zehn in der Planung vorgesehenen Kompensationsprojekten sind laut WWF nur zwei vollständig umgesetzt worden. In manchen Fällen scheiterte das daran, dass private Grundstücke eingeplant wurden, ohne vorher festzustellen, ob deren Eigentümer überhaupt verkaufsbereit waren. Statt die Deiche zu öffnen und Ersatz für verlorene Flachwasserzonen und Überschwemmungsbereiche zu schaffen, sei hinter den Deichen der Schutz des Grünlandes und der Vögel verbessert worden. „Die Maßnahmen waren und sind weitgehend ungeeignet, die gravierenden Auswirkungen des Eingriffs auszugleichen“, stellt der WWF fest. In einer Pressemitteilung der Verkehrs- und Wirtschaftsminister der drei Länder sowie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes klang das in der vergangenen Woche harmlos: „Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind weitgehend umgesetzt und werden weiterverfolgt“, hieß es da.
Die Regierungsvertreter räumten ein, dass der Tidenhub und der Salzgehalt der Elbe sich verändert haben. Das habe sich aber im Wesentlichen im prognostizierten Rahmen gehalten. Damit würden laut Prognose aber 112 Hektar ufernahe Böden und 92 Hektar ufernahe Weidengebüsche, Auwald und Röhricht verloren gehen – Lebensräume, für die eigentlich Ersatz geschaffen werden müsste.
Nach den Messungen der Wassergütestelle Elbe gibt es seit der jüngsten Vertiefung im Sommer vermehrt „Sauerstofflöcher“ im Strom. Das heißt, der Sauerstoffgehalt sinkt so stark, dass manche Fische ersticken. Die Regierungen leugnen das nicht, behaupten aber, nicht die Elbvertiefung, sondern andere Faktoren seien für das Phänomen verantwortlich (taz berichtete).
Die Minister drückten sich vor einer Aussage zur Verschlickung der Häfen entlang der Unter- und Außenelbe. Auf Druck der Kommunen erhöhte Hamburg jedoch seinen Fonds, mit dem die entsprechenden Kosten bezahlt werden sollen, von fünf auf zehn Millionen Euro.
Den Veränderungen steht aus Sicht des WWF eine dilettantische Ausgleichsplanung gegenüber. Nur in der Hahnöfer Nebenelbe, dem Mühlenberger Loch bei Hamburg sowie in Hullen gegenüber von Brunsbüttel wurden Ausgleichsmaßnahmen vollendet. Dagegen erwiesen sich zentrale Projekte wie die Öffnung des Bellumer Außendeichs als undurchführbar. Die Behörden dachten sich ersatzweise neue Projekte aus, die aber noch nicht vollständig verwirklicht worden sind.
Eine weitere Vertiefung des Stroms würde diese Zustände nicht nur verschlimmern. Sie ist aus Sicht des WWF überflüssig. Seit die Pläne für einen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven festgestellt seien, müssten Elbe und Weser nicht mehr vertieft werden. Die ganz großen Containerschiffe könnten in Wilhelmshaven festmachen. Das starke Wachstum des Containerverkehrs lasse den städtischen Häfen immer noch genug Ladung.