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Archiv-Artikel

Endlager Gorleben soll leben

Mit einem neuen Gutachten will das Bundeswirtschaftsministerium die gestoppte Erkundung des Salzstockes in Gorleben wieder aufnehmen. Bundesumweltministerium reagiert mit harscher Kritik – doch eigene Pläne veröffentlicht Gabriel nicht

AUS BERLIN NICK REIMER

Formal ist es nur ein wissenschaftliches Gutachten: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat gestern eine neue Untersuchung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland vorgestellt. Es geht um die Frage des geeignetsten Wirtsgesteins. Nach Untersuchungen zu Steinsalz und Kristallingestein legte die BGR gestern ihre Studie zu Tongesteinsformationen vor. Dabei kommen die Experten zu dem Schluss, dass Ton gegenüber Steinsalz für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen insgesamt ungünstigere Eigenschaften aufweise. Zentraler Grund sei die geringere Wärmeleitfähigkeit von Ton: Weil der strahlende Atommüll große Mengen Wärme entwickele, könnte im Ton wesentlich weniger Müll auf gleicher Fläche eingelagert werden.

Die Studie hat erhebliche politische Brisanz. „Die Untersuchungen zeigen, dass sich für ein atomares Endlager kein anderes Wirtsgestein aufdrängt als Steinsalz“, erklärte Horst Schneider, Referatsleiter für Kernergiewirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium, der anstelle des ursprünglich angekündigten Staatssekretärs Joachim Würmeling die politische Bewertung übernahm. „Und wir haben in Deutschland einen Standort, der bereits erforscht ist: Gorleben.“

Fragen von Gorleben-Kritikern beantwortete Schneider so: „Ich habe nicht gesagt, dass es keine anderen geeigneten Standorte gibt. Ich habe gesagt, dass wir einen geeigneten Standort haben. Man kann doch Erfahrungen, die man einmal im Salzstock gewonnen hat, nicht einfach so über den Haufen werfen.“ Auf die Frage, ob die Bundesregierung dank des Gutachtens nun ihren Koalitionsvertrag erfüllen könne, antwortete Schneider: „Wir sind jetzt dabei, die Frage gemäß Koalitionsvertrag voranzubringen.“ Im Koalitionsvertrag heißt es: „CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung zügig und ergebnisorientiert an. Wir beabsichtigen in dieser Legislatur zu einer Lösung zu kommen.“

Im Bundesumweltministerium stieß das Gutachten auf harsche Ablehnung. „Eine Endlager-Studie, die nur Ängste schürt, aber keine Probleme löst“, urteilte Sprecher Michael Schroeren. „Das Papier der BGR steht in keinem Zusammenhang mit einem systematischen Auswahlverfahren für einen Endlagerstandort nach vorher festgelegten Kriterien.“ Die Vorgehensweise der BGR widerspreche allen Erkenntnissen, „die über Jahrzehnte in vielen Ländern gewonnen wurden und in entsprechenden Berichten der Europäischen Kommission dokumentiert sind.“ Umweltminister Gabriel (SPD) will ein Suchverfahren nach dem Prinzip des Arbeitskreises Endlager, das auch soziokulturelle und lokalpolitische Aspekte berücksichtigt. „Gabriel hat das Verfahren gegenüber seinem Vorgänger zwar abgespeckt, aber er steht dazu“, urteilt Rebecca Harms, EU-Abgeordnete der Grünen. Sie wirft dem Umweltminister vor, selbst seine Position zu schwächen: „Gabriel hat noch nirgends seinen Verfahrensweg veröffentlicht. Nur wenn er diesen Weg plausibel machen kann, wird er im Streit mit Glos bestehen. Aber dafür muss er der Öffentlichkeit mal die Chance geben, sich mit dem Plan zu befassen.“

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