: Tornados in Karlsruhe gelandet
Linksfraktion klagt gegen Einsatz von Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan: Hierfür hätte man den Nato-Vertrag ändern müssen. Gestern begannen vor dem Verfassungsgericht die Verhandlungen. Einstweilige Verfügung wurde bereits abgelehnt
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH
Länger als erwartet hat gestern das Bundesverfassungsgericht über den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verhandelt. Geklagt hatte die Linksfraktion. Die Flugzeuge haben am Montag ihre ersten Aufklärungsflüge absolviert. Die Linke will sie zurückholen.
Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion, rügte gestern, dass Rechte des Bundestags verletzt seien. Dieser habe zwar dem Einsatz zugestimmt. Erforderlich sei aber eine Änderung des Nato-Vertrags gewesen. „Als der Nato-Vertrag 1955 geschlossen wurde, war die Nato als Verteidigungsbündnis konzipiert. Heute ist sie ein Sicherheitsdienstleister ohne territoriale Beschränkung“, kritisierte der Links-Anwalt Sönke Hilbrans. Mit dem Schutz des euro-atlantischen Raums hätten Einsätze wie in Afghanistan nichts mehr zu tun.
Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Reinhard Silberberg, entgegnete: „Die Aufgabe der Nato ist seit 1955 unverändert. Sie soll den Frieden sichern und Bedrohungen für die Mitgliedsstaaten abwehren. Was sich geändert hat, ist die Herkunft der Bedrohungen.“ Er erinnerte daran, dass die Anschläge von 2001 in Afghanistan vorbereitet wurden. „Afghanistan darf nicht wieder Trainings- und Rückzugsraum internationaler Terroristen werden.“ Silberberg warnte davor, die Bündnisfähigkeit Deutschlands zu verspielen. „Es geht darum, wie viel außenpolitische Handlungsfähigkeit die Bundesregierung behält“, erklärte er. Außerdem sei Afghanistan nicht weiter vom Nato-Raum entfernt als Bosnien-Herzegowina, ergänzte Georg Nolte, der Rechtsvertreter der Bundesregierung, „die Türkei ist Nato-Staat, dann kommt der Iran und dann sind wir schon in Afghanistan.“
Gysi sah die Grundstruktur des Nato-Vertrags auch dadurch verletzt, dass die Nato heute nicht mehr der Friedenssicherung diene. Ausdruck dessen sei der Afghanistan-Einsatz, bei dem die Nato mit der Stabilisierungs-Truppe Isaf eng mit der Operation Enduring Freedom (OEF) der Amerikaner zusammenarbeite. Die Isaf-Tornados würden auch Aufklärungsbilder an die OEF-Truppe weitergeben, obwohl diese völkerrechtswidrig ist. „Enduring Freedom war mal Selbstverteidigung, aber jetzt dient es nur noch der Bekämpfung des Terrorismus und das kann ewig gehen“, so Gysi.
„Deutschland ist in Afghanistan nicht an einer Friedensstörung beteiligt“, hielt ihm Regierungsvertreter Nolte entgegen, „auch die Amerikaner haben keine friedensstörende Absicht.“ Das Selbstverteidigungsrecht ende nicht deshalb, weil in Afghanistan inzwischen eine schwache Regierung amtiert. „Wenn nach dem Zweiten Weltkrieg der Widerstand in Deutschland weitergegangen wäre, hätten die USA auch nicht nach der Wahl einer ersten Bundesregierung 1949 nach Hause gehen müssen.“
Der Prozess war über weite Strecken von prozessualen Fragen bestimmt. Weil das Verfassungsgericht keine allgemeine Aufsicht über die deutsche Außenpolitik hat, musste die Linksfraktion den Umweg über eine Organklage nehmen, bei der die Rechte des Bundestags verteidigt werden. Dabei musste die Linke geltend machen, dass der Nato-Vertrag gerade in den letzten sechs Monaten aus dem Ruder gelaufen ist. Anwalt Hilbrans sah den Sündenfall in den politischen Richtlinien des letzten Nato-Gipfels im Herbst 2006 in Riga. An dieser Argumentation zweifelten aber viele Verfassungsrichter, so dass die Klage auch unzulässig sein könnte.
Mit einem Urteil ist erst in einigen Wochen zu rechnen. Schon 2001 hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass der Nato-Vertrag weiterentwickelt werden darf. Die Linksfraktion hatte bereits Ende März mit einer einstweiligen Verfügung versucht, den Tornado-Einsatz in Afghanistan zu verhindern. Auch dieses Ansinnen war jedoch vom Bundesverfassungsgericht ausgebremst worden.