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Archiv-Artikel

Schwangerschaft einfach verdrängt

Eine 24-Jährige bringt auf einer Baumarkt-Toilette ihr Kind zur Welt. Kurz darauf stirbt es. Jetzt steht die Frau vor Gericht

Wegen Tötung ihres Neugeborenen muss sich seit gestern eine 24-Jährige vor dem Landgericht verantworten. Die wegen Totschlags angeklagte Frau soll im November vorigen Jahres bei der Geburt das Kind mit dem Kopf gegen das Toilettenbecken gepresst und dabei so schwer verletzt haben, so dass es elf Tage später an den Folgen schwerer Schädelverletzungen starb.

Dem Staatsanwalt zufolge sind derartige Schädelverletzungen bei einem Neugeborenen „nur mit erheblicher Gewalt“ zu erklären. Bei der Polizei hatte die Frau ausgesagt, „eine Sturzgeburt“ gehabt zu haben. Am 11. November 2006 hatte die Verkäuferin während ihrer Arbeitszeit auf der Toilette der Bäckerei in einem Schöneweider Baumarkt einen Sohn zur Welt gebracht. Vor Gericht sagte die 24-Jährige, sie habe die „Schwangerschaft verdrängt“ und die Geburt als solche nicht wahrgenommen. Erst als die Feuerwehr das Neugeborene hinausgebracht habe, habe sie gesehen, dass es ein Junge gewesen sei.

Ihren Angaben nach war sie wegen „Unterleibsschmerzen“ und „Übelkeit“ auf Toilette gegangen. Sie habe „gedrückt und gedrückt“, um die Beschwerden loszuwerden, sagte sie. Dann habe sie plötzlich „etwas in den Händen“ gehabt, habe „ihre Schenkel zusammengedrückt“ und sei aufgestanden. Das Kind fiel nach Angaben der Frau direkt ins Toilettenbecken. „Ich wollte es nicht wahrhaben“, räumte die 24-Jährige ein. Deshalb sei sie weder beim Frauenarzt gewesen, noch habe sie sich Gedanken über einen Schwangerschaftstest oder eine mögliche Abtreibung gemacht.

Von Freunden und Eltern auf ihre Gewichtszunahme angesprochen, hätte sie Krankheiten vorgeschoben. Auf Nachfrage gab die Verkäuferin im Prozess zu: „Ich wollte nicht schwanger sein.“ Nach der Trennung vom Kindesvater habe sie „Angst“ gehabt, mit einem Baby „allein dazustehen“ und „Freunde zu verlieren“.

Eine Kollegin der Angeklagten hatte an jenem Morgen die Feuerwehr alarmiert. Der damals Dienst habende Feuerwehrmann berichtete von einem widerspenstigen Verhalten der Angeklagten. Nach seinen Angaben hatten die Einsatzkräfte zehn Minuten vor der Toilettentür gestanden, ohne die Schreie eines Babys zu hören. „Sonst wären wir sofort reingegangen“, sagte er. Die Frau wollte zunächst nicht in ein Krankenhaus gebracht werden, erinnerte er sich im Prozess. Sein Kollege habe das Baby dann aus dem Toilettenbecken geborgen. Der Prozess wird am 3. Mai fortgesetzt. ddp, dpa