„Wichtig ist das Herz“

Vor dem Abstiegsduell im Fed Cup gegen Kroatien spricht Team-Chefin Barbara Rittner über die andauernde Krise des deutschen Frauentennis und ihre Nummer eins Anna-Lena Grönefeld

BARBARA RITTNER, 33, war bis 2004 Tennisprofi. Seit 2005 ist sie Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams.

INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER

taz: Frau Rittner, haben Sie Angst vor dem Abstiegsduell gegen Kroatien?

Barbara Rittner: Wenn ich Angst hätte, dann wäre ich in dem Job falsch. Nein, ich freue mich darauf. Wir haben eine gute Trainingswoche hinter uns. Ich bin einfach gespannt, wie wir uns verkaufen, wie Anna-Lena Grönefeld nach ihrer Pause spielt, ob sie das, was sie im Training gezeigt hat, im Match rüberbringen kann, und am meisten natürlich, wie es ausgeht. Egal wie, wir wollen gewinnen.

Warum ist Anna-Lena Grönefeld plötzlich wieder ihre Nummer eins?

Eigentlich wollte ich Tatjana Malek und Sandra Klösel spielen lassen. Die Anna hat aber so gut trainiert, sich auch von Tag zu Tag gesteigert, dass ich gesagt habe, sie ist schon wieder so weit. Ihre Erfahrung im Fed Cup und überhaupt in ihrer Karriere hat dann letztlich den Ausschlag gegeben.

Eine mutig Entscheidung.

Ich glaube, ich kenne die Anna-Lena ganz gut, auch wenn sie insgesamt ein eher verschlossener Mensch ist. Wir haben im Fed Cup viele extreme Situationen erlebt. Bei ihrem ersten Einsatz in der Ukraine zum Beispiel, wo sie als ganz junge Spielerin zwei Matches verloren hat und ich sie trösten musste, das Spiel in Kroatien, wo sie zwei Punkte gemacht hat, und das auch für mich beinahe schon traumatische Ereignis letztes Jahr in Ettenheim, als wir die Chance hatten, gegen die USA zu gewinnen, und als der Anna die Nerven versagt haben. Anna hat einfach mein Vertrauen, das wollte ich ihr auch zeigen. Ich hoffe, dass sie sich gut verkauft, dass ihre Nerven mitspielen. Auch wenn sie noch lange nicht da ist, wo sie war.

Wie haben die anderen im Team auf ihre Entscheidung reagiert?

Im Team herrscht volle Akzeptanz und auch Respekt für alles, was die Anna in den letzten Jahren geleistet hat. Wir haben einen super Teamgeist.

Das war nicht immer so. Die beste deutsche Tennisspielerin, Martina Müller, gehört ja nicht mehr zum Team.

Ich denke, dass die Mannschaft zusammenhält. Nach der Niederlage in Ettenheim ist ja alles völlig auseinander gebrochen. Und dass sie dann vor der darauffolgenden Partie in China finanzielle Forderungen gestellt hat, das hat mich schon enttäuscht.

Wird es ein Comeback von Müller im Fed Cup geben?

Die Martina ist den Schritt weggegangen von der Mannschaft. Wenn sie sich an mich oder den Deutschen Tennisbund wendet, ist die Tür offen – aber nicht zu den Bedingungen, die sie stellt.

Eine Spielerin von internationalem Spitzenniveau ist auch Müller nicht. Wann ist denn mit dem Ende der Krise im Frauentennis zu rechnen?

Wir hatten mit der Anna eine, die unter den ersten 20 der Welt war, bevor sie völlig den Faden verloren hat. Ich glaube, sie hat den Willen, da wieder hinzukommen. Die jungen Spieler, die jetzt dabei sind, haben das Zeug, unter die ersten 50 bis 30 zu kommen. Ich sehe allerdings keine absolute Überfliegerin dabei. Es sind insgesamt zu wenige da, die sich quälen wollen, bereit sind, sich auf die eine Sache Tennis zu konzentrieren. Ich bin teilweise erschreckt, wie wenig da ist.

Bräuchte es also mehr strenge, ehrgeizige Tenniseltern, mehr diktatorische Trainer?

Klar, das braucht man. Man darf aber nicht vergessen: Auch wenn Steffi Graf einen strengen Vater hatte, das Wichtigste ist immer noch das eigene Herz, ob man selber will, ob man hart arbeitet. Und das vermisse ich eben.

Im Fed Cup (bis 1995 Federation Cup), dem Nationenwettbewerb im Frauentennis, spielt Deutschland am Wochenende in Fürth gegen Kroatien um den Verbleib in der Weltgruppe zwei. Team-Chefin Barbara Rittner hat Anna-Lena Grönefeld als Nummer eins des Teams nominiert. Grönefeld, die vor einem Jahr noch auf Rang 14 der Weltrangliste lag, danach kaum mehr ein Spiel gewann und regelrecht abstürzte, bestreitet heute das zweite Einzel gegen Ivana Lisjak. Martina Müller, als 34. der Weltrangliste Deutschlands Nummer eins, gehört nach einem Streit über Prämien und die angebliche Bevorzugung Grönefelds durch Rittner nicht mehr zum Team. TAZ

Hat man in Deutschland die Entwicklung zum physischen Spiel verschlafen?

Nein, das glaube ich nicht. Fest steht aber: Heute kann man nicht mehr mit ein bisschen Talent und Training vorne mitspielen. Dass muss man den Jugendlichen einhämmern: Wenn ihr vorne mitspielen wollt, dann gehört einfach mehr dazu, als ein bisschen Bälle schlagen. Wenn man heute Tennisprofi sein will, dann ist das harte Arbeit.

Das war früher anders?

Anfang der 90er, als ich selbst noch unter den ersten 30 der Welt gespielt habe, da musste man schon einen verdammt schlechten Tag haben, um gegen eine zu verlieren, die nicht unter den Top 100 stand. Die meisten Amerikanerinnen konnten noch nicht auf Sand spielen. Die körperliche Fitness war nicht so gefragt. Das hat sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert.

Deutschland spielt gegen den Abstieg in die Drittklassigkeit. Wo steht das deutsche Frauentennis?

Die erste Weltgruppe hat acht Mannschaften, ebenso wie die zweite, wo wir jetzt sind. Zu sagen, unser Ziel ist der Aufstieg, wäre nicht realistisch. Wir sind da, wo wir hingehören.