: „Wir verschwinden im Meer“
INSELN Vertreter sieben kleiner Staaten fordern ein radikales Umdenken in der Klimapolitik: Vor allem die großen Industrienationen müssten etwas tun
AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN
Die Allianz der kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States, AOSIS) ist ein Bündnis von Insel- und niedrig liegenden Küstenstaaten der ganzen Welt. Sie alle sehen sich ähnlichen Problemen wie dem steigenden Meeresspiegel, insofern auch ähnlichen Aufgaben gegenüber. Derzeit hat die Gruppe 44 Mitglieder, 37 davon sind in der Uno. Bis auf Madagaskar sind die im folgenden zitierten VertreterInnen in der AOSIS organisiert.
Antigua und Barbuda
„Wir in der Karibik befinden uns an der Frontlinie. Antigua hat 365 Strände und Tourismus macht 70 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts aus. Wenn wir unsere Strände verlieren, haben wir keine Ökonomie mehr, dann gibt es unser Land in 50 Jahren nicht mehr. Das Problem ist, dass die meisten großen Industriestaaten nichts tun wollen. Deutschland ist da die löbliche Ausnahme. Wir sagen seit Jahren, was passiert – aber wir haben weder die technische Expertise noch die Satelliten, um es zu beweisen. Wir erwarten, dass auch China und die USA etwas tun. Die beiden sind die größten Umweltverschmutzer und erzeugen die meisten Treibhausgase. Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 brauchen wir ein Abkommen, dessen Ziele spezifisch und messbar sind.“ Charles Fernandez, Außenminister
Nauru
„Wir müssen alles ändern: Die Art, wie wir Energie herstellen und wie wir damit umgehen. Und wir müssen bei den Verhandlungen anders vorgehen, damit nicht wieder dasselbe passiert wie bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Wir wollen keine Treffen mehr hinter verschlossenen Türen, keine nützlichen Kompromisse, keine halben Lösungen. Wir wollen Transparenz! Zum Glück gibt es Vorbilder: An einem sonnigen Tag kann Deutschland über die Hälfte seine Elektrizität mit Sonnenergie herstellen. So etwas sorgt dafür, dass ich weiter hoffe, dass es möglich ist, das Schlimmste zu vermeiden.“ Baron Waqa, Präsident, derzeit auch Präsident der AOSIS
Komoren
„Auf den Komoren sind Flüsse ausgetrocknet, und wir erleben Unwetter, die es nie zuvor in der Geschichte gab. Wir haben Risse im Boden, und Berge stürzen ab. Die Meereswellen steigen schon jetzt manchmal bis zu den Dörfern. Das alles haben wir dieses Jahr erlebt. Wir kleinen Entwicklungsländer sind die Opfer – aber die Wirtschaftsriesen haben am meisten zur Klimaveränderung beigetragen. Bei künftigen internationalen Foren werden wir als kleine Inselstaaten mit einer Stimme sprechen. In New York haben wir starke Worte gehört – darunter die, dass China seinen finanziellen Einsatz für die Kooperation mit dem Süden gegen die Klimaveränderung verdoppeln will. Jetzt müssen Taten folgen.“ El-Anrif Said Hassane, Außenminister
Mauritius
„Unsere besten Alliierten sind wir selbst: die kleinen Inseln. Afrika hat immer Leute gehabt, die verletzlich sind, Afrika versteht das Konzept der Verletzlichkeit. Die Wissenschaftler haben es auch verstanden. Aber bei den großen Entscheidungsträgern dieser Welt ist es noch nicht überall angekommen. Bei uns gibt es Erdrutsche, es gibt Todeswellen. Das ist alles neu. Wir haben Experten aus dem Ausland geholt. Aus Japan kommt zum Beispiel ein stärkeres Radarsystem, um mehr über die Klimaveränderung zu erfahren. Wir sind 44 Inselstaaten und 62 Millionen Menschen, die weniger als ein Prozent der CO2-Emissionen produzieren. Aber wir sind Teil der Menschheit.“ Usha Canabady, Außenministerin
Madagaskar
„Die Klimaveränderung hat schon jetzt Folgen für unsere Landwirtschaft, die Fischerei und den Tourismus. Wir spüren die Erosion der Meeresböden; die Ränder der Insel verschwinden im Meer. Und wir haben Probleme mit der Trockenheit in unseren Reisfeldern. Bislang gibt es Industrieländer, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben und andere, die es nicht getan haben. Das kann so nicht weitergehen. Wir brauchen unbedingt eine Lösung in der Uno.“ Anthelme Ramparany, Außenminister
Palau
„Wenn nichts geschieht, müssen wir alle auf einen größeren Kontinent ziehen – nach Australien, Asien oder Amerika. Von Palau werden wir in 50 Jahren nicht mehr reden können. Vielleicht sind noch einzelne Inselteile übrig. Aber sie werden nicht mehr bewohnbar sein. Das ist sehr, sehr hart für uns. Die Säurebildung im Ozean führt zum Tod der Korallenriffe. Die sind unser Brot und Butter, denn wir hängen stark vom Tourismus und von der Gesundheit des Ozeans ab. Die steigenden Fluten bringen mehr Salz auf das Land, weshalb wir mehr Geld für die Bearbeitung des Wassers aus unseren Brunnen ausgeben müssen. Wir sind als Menschen nur bis zu einer bestimmten Ebene belastbar, aber die Bedrohung ist permanent. Wir alle leben in einer Welt, aber unsere Standards sind völlig andere als in New York: Unser Lebensstandard sinkt jeden Tag. Wenn die Uno ein Land davon abhalten kann, in den Krieg gegen ein anders Land zu ziehen, dann muss sie auch in der Lage sein, ihre Mitgliedsländer zu verpflichten, sich an ein Klimaabkommen zu halten. Wir in Palau sind nur 20.000 Menschen. Aber wir haben das größte Seewasserschutzgebiet der ganzen Welt. Ich verstehe nicht, warum die großen Länder nicht dasselbe tun sollten.“ Phillip P. Reklai, Senatsvizepräsident
Seychellen
„Unser Präsident hat gesagt: „Wir sind alle Schuldig und alle Opfer. Weil wir alle Energie brauchen, die beim Verbrennen CO2-Gase freisetzt“. Aber auf den Seychellen sind 50 Prozent des Territoriums Naturschutzgebiet, das ist der größte Anteil weltweit. Die Seychellen werden auf jeden Fall Inseln verlieren. Die entwickelten Länder haben eine größere Verantwortung, weil sowohl Probleme als auch Lösungen stärker an ihnen liegen. In Paris brauchen wir ein Abkommen, das die maximale Temperaturerhöhung verpflichtend auf zwei Grad festlegt. Die Uno muss die Schadstoffabgaben von jedem Land überwachen. Die AOSIS hat sich bisher darauf konzentriert, zum Thema Klimaveränderung zu sprechen. Wenn nichts passiert, werden wir kleinen Inselstaaten unsere Blockademöglichkeit künftig auch bei anderen Themen in den internationalen Gremien nutzen. Wir sind 44 Länder, wir haben Gewicht. Unsere Stimme wird in Zukunft lauter werden. Jean-Paul Adam, Außenminister