: Bloß keine Memoiren
Richtig alt: Vier Rollenmodelle aus der Generation 80 plus
Modell „Amt und Würden“. Dazu gehören die Queen und Papst Benedikt XVI., beide 80 geworden. VertreterInnen dieses Modells treten häufiger in prächtiger Kostümierung auf und üben ihr Amt praktischerweise oft im Sitzen aus, mitunter auf thronähnlichen Stühlen. Sie fallen nicht aus der Rolle, oder wenn, dann nur so dezent, dass die Medien gleich begeistert über diese neue Menschlichkeit jubeln. So erzählte Papst Benedikt und Exkardinal Ratzinger der gerührten Presse, dass er bei der Papstwahl kurz vor der Entscheidung noch ein Stoßgebet zum Himmel geschickt habe: „Tu mir dies nicht an! Du hast Jüngere und Bessere!“ Es half nichts.
Die Queen begrüßte die Gäste zu ihrem 80. Geburtstag mit einem Zitat von Groucho Marx: „Jeder kann alt werden – man muss nur lange genug leben.“ Das klingt lustig, verbirgt aber die Nachteile dieses Modells: Es besteht vor allem aus Pflichten. Und es gibt nur wenige Ämter dieser Art.
Lustvoller wirkt das Modell „Angeber“. Prominenter Vertreter ist der inzwischen 81-jährige Playboy-Gründer Hugh Hefner, der sich nach wie vor nur ungern ohne weibliche Begleitung ablichten lässt. Hefner, begeisterter Viagra-Konsument, verkündete noch im hohen Alter, dass er nun mit nur noch drei Frauen und nicht mehr mit sieben Gespielinnen zusammenlebe, darunter viele Playboy-Bunnies.
Allerdings würde ihn Sex langweilen, gab Hefner unlängst zu Protokoll. Er mache mit seinen Frauen inzwischen lieber Gesellschaftsspiele, was die Medien zur puscheligen Überschrift „Brettspiele statt Bettspiele“ verführte. Varianten des Angeber-Modells, auch in versteckter Form, finden sich in vielen Autobiografien. Nachteil dieses Modells: Ohne mindestens drei Blondinen funktioniert es nicht, man ist also immer ein bisschen abhängig.
Befreiender erscheint das Modell „Überblick und Ironie“. Dessen VertreterInnen haben gewissermaßen die vierte Lebensphase erreicht, wie sie der Hinduismus beschreibt: Äußere Kämpfe und Eitelkeiten gehören der Vergangenheit an. Allerdings braucht es dazu lebenslange Vorarbeit. Zu den RepräsentantInnen gehören die 89-jährige Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich und der 83-jährige Satiriker Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot.
Das Angenehme am Alter sei, dass man wisse, dass die anderen „genauso verrückt sind wie man selbst gelegentlich“, meint Mitscherlich. Hugh Hefner müsste sich ihr mit seinem Playboyimage eigentlich verbunden fühlen, denn „wenn Sex früher Sünde war, ist er heute zur Pflicht geworden“, bedauert die Psychoanalytikerin und Sozialphilosophin.
Loriot nutzt subversiv Erwartungshaltungen. Auf die Frage von Journalisten, für wen er bei der letzten Bundestagswahl votiert habe, antwortete er: „Habe ich vergessen.“ Das klingt lässig, man sollte aber nicht übersehen, dass das Modell „Überblick und Ironie“ mitunter fast unbemerkt in die vierte Variante überlappen kann.
Das Modell „Memoiren“, die vierte Variante, ist das klassische, aber auch das bedenklichste für prominente alte Menschen. Denn auch wenn die Lebenserinnerungen von Staatsmännern und Künstlern bedeutsam sein können, so besteht dieses Modell vor allem aus der Ichform und dem Rückblick, zwei gefährliche Fallen für Hochbetagte. Wer nur noch über seine Erinnerungen spricht, outet sich damit unweigerlich als Wesen der Vergangenheit.
Wer allerdings noch einen Remmidemmi-Faktor einbaut wie der heute 80-jährige Günter Grass mit dem Bekenntnis seiner früheren Waffen-SS-Mitgliedschaft, der kann auf größere Aufmerksamkeit hoffen.
Doch auch für Memoirenschreiber geht das Leben hinterher noch weiter. Der heute 88-jährige Exbundeskanzler Helmut Schmidt, Autor vielfältiger Erinnerungen, soll im neuen Magazin der Wochenzeitung Die Zeit eine Kolumne mit dem Titel „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ bekommen. Marktforschungen hätten ergeben, dass auch jüngere LeserInnen diese Idee klasse finden, hieß es bei dem Blatt. Der Mir-ist-meine-Gesundheit-wurschtegal-Faktor eines rauchenden Hochbetagten könnte schon wieder Kult werden. Oder auch nicht. BARBARA DRIBBUSCH