: Der Uranist
Er ist ein Pionier der Lesben- und Schwulenbewegung: Eine Gedenktafel für Karl Heinrich Ulrichs ist gestern in Göttingen enthüllt worden. Ulrichs, geboren 1825 in Ostfriesland, setzt sich bereits in den 1860er-Jahren für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Homosexuellen ein. Von 1844 bis 1846 studiert er Theologie und Rechtswissenschaft in Göttingen, anschließend promoviert er in Berlin.
1854, da ist er bereits im Staatsdienst Hannovers tätig, wird gegen Ulrichs ein Ermittlungsverfahren wegen widernatürlicher Wollust eingeleitet, er quittiert den Dienst und arbeitet fortan als Anwalt. Ein paar Jahre später wird ihm auch dies verwehrt, weshalb er sich als Journalist und Fremdsprachenlehrer durchschlagen muss.
In den 1860ern veröffentlicht er dann eine Schriftenreihe mit dem Titel „Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe“, in der er Homosexualität als natürliche Veranlagung deutet, sich selbst dazu bekennt und Straffreiheit fordert. Diese Position trägt er 1867, auf dem deutschen Juristentag in München, öffentlich vor – eine Provokation. In den 1880er-Jahren geht er ins Exil nach Italien, wo er 1895 stirbt.
In seinen Schriften verwendet Ulrichs nicht den Begriff Homosexualität, der sich erst ein paar Jahre darauf etabliert, sondern schreibt von „Uranismus“. Teile seiner Theorien werden von anderen Pionieren wie Magnus Hirschfeld aufgegriffen. Heutzutage erfährt Ulrichs’ Engagement Anerkennung in der Lesben- und Schwulenbewegung.
In Bremen konnte erst nach Querelen ein Platz nach Ulrichs benannt werden. In Göttingen, wo etliche Gedenktafeln herausragende Personen der Universität ehren, geschieht das mit Ulrichs nun zum zweiten Mal: Es gab bereits eine Gedenktafel, auf der er als „deutscher Jurist“ bezeichnet wurde. Das wird nun um „Vordenker der Schwulenbewegung“ erweitert. Die Initiative kam von Klaus Müller und Jochen Engling, selbst Urgesteine der Göttinger Bewegung. RAFFAEL SIEGERT