Von Pierers Regierungsjob wackelt

Trotz Verteidigungsrede: Die Forderungen nach Rückzug des früheren Siemens-Chefs als Berater für Merkel werden lauter. Auch ein Telekom-Vorstand gerät ins Visier

Ich habe nichts von den besagten Zahlungen und Verträgen gewusst

BERLIN dpa/rtr/ap ■ Auch nach seinem angekündigten Rücktritt bleibt Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer in der Kritik. Mehrere Politiker forderten auch den Rückzug von Pierers vom Posten des Wirtschaftsberaters der Bundesregierung. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, sagte am Wochenende der ARD, von Pierer tue sich und der Bundesregierung keinen Gefallen, wenn er mit dieser Last noch auftrete. Auch die FDP forderte von Pierers Rücktritt, ebenso die Antikorruptionsorganisation Transparency International. Die Bundesregierung hält hingegen an von Pierer fest: „Wir wollen auf seinen Rat und seine Tipps nicht verzichten“, sagte Regierungssprecher Thomas Steeg.

Von Pierer hatte in der Nacht zum Freitag seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat erklärt und betont, er wolle helfen, den von Korruptionsskandalen erschütterten Siemens-Konzern in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Seither reißen die Spekulationen über die Hintergründe seines Rücktritts nicht ab. In Branchenkreisen wird davon ausgegangen, dass der Druck auf von Pierer vor allem durch die möglichen Schmiergeldzahlungen von 50 Millionen Euro an die Arbeitnehmervereinigung AUB gewachsen war. Dies habe die IG Metall gegen den Exvorstandsvorsitzenden aufgebracht, die nach Bekanntwerden der Korruptionsfälle im Ausland in der Kommunikationssparte Com noch zu von Pierer gestanden hatte. Von Pierer selbst sagte der Welt am Sonntag, es habe in den vergangenen Tagen viele Gespräche mit Aufsichtsräten gegeben. „Aber niemand hat mich aus dem Amt gedrängt.“ Sein Rücktritt sei kein Eingeständnis einer Mitschuld am Schmiergeldskandal. „Ich habe nichts von den besagten Zahlungen und Verträgen gewusst.“

Die Süddeutsche Zeitung berichtete dagegen am Samstag, ag,von Pierer solle bei einer Aufsichtsratssitzung früh von dem Vorwurf erfahren haben, Siemens unterstütze die AUB finanziell als Gegenorganisation zur IG Metall. Dies lege das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung vom 10. Dezember 1997 nahe.

Doch nicht nur von Pierer steht im Fadenkreuz, die Schmiergeldaffäre zieht ihre Kreise bis in die Spitze anderer DAX-Konzerne. So gerät der Exbereichsvorstand der Kommunikationssparte Com und heutige Telekom-Vorstand Lothar Pauly nach einem Bericht des Spiegel in der Affäre um schwarze Kassen immer mehr in Erklärungsnot. E-Mails aus dem Jahr 2000 würden die Frage aufwerfen, ob der Topmanager über mutmaag,ßliche Schmiergelder in Millionenhöhe informiert gewesen sei. Zumindest im Fall eines 50-Millionen-Euro-Deals mit dem chinesischen Mobilfunkanbieter Unicom könnte Pauly eine Zahlung auch selbst abgesegnet haben, schreibt das Magazin.

Die IG Metall forderte angesichts der Skandale bei VW und Siemens klare Verhaltensregeln für Arbeitnehmervertreter. „Es darf keine Sonderregelungen geben – weder für Aufsichts- noch für Betriebsräte. Jede Zahlung muss nachvollziehbar und verhältnismäßig sein“, sagte Thomas Klebe, Leiter des Bereichs Betriebs- und Mitbestimmungspolitik der IG Metall, selbst Mitglied im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler. Nach den IG-Metall-Richtlinien darf beispielsweise ein Aufsichtsratsmitglied von seinen Tantiemen 90 Prozent behalten, sofern diese 3.500 Euro pro Jahr nicht überschreiten. Liege die Überweisung über dieser Marke, müssten 90 Prozent abgeführt werden. Das Geld gehe an die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Sonderboni, Eigenbelege oder Ähnliches sind nicht möglich.“ Klebe räumte allerdings ein, dass die Einhaltung der Regeln für die IG Metall nicht immer leicht zu kontrollieren sei.