: Citizen Stoschek
Die junge Mäzenin Julia Stoschek hat in kurzer Zeit eine große Medienkunst-Sammlung zusammengetragen. Sie eröffnet in Düsseldorf ihr eigenes Ausstellungshaus
In einem Düsseldorfer Hinterhofgebäude verbirgt sich in einem mittelgroßen Metallschrank das Herzstück einer Sammlung, die vermutlich jedem Museum gut zu Gesicht stünde. Unzählige Videobänder international berühmter KünstlerInnen lagern hier. Hinter einer Stellwand stapeln sich Holzkisten, in denen die Hardware verwahrt wird. Bislang hat noch niemand alle Werke gesehen. „Die Sammlung gibt es also eigentlich noch gar nicht“, sagt die Sammlerin und Mäzenin Julia Stoschek (31). Doch bald schon wird in der Landeshauptstadt ein neuer Kunstort entstehen: die Julia Stoschek Collection.
Seit Anfang des Jahres ist das eine Stiftung. Nach Sanierung und Umbau werden auf allen vier Etagen des denkmalgeschützten Fabrikgebäudes in Oberkassel 35 der inzwischen fast 350 Arbeiten zu sehen sein. Die zur Schau gestellte Kunstverehrung wird zur Passion. Julia Stoschek wird hier mit ihrer Kunst auch leben.
Erst seit gut vier Jahren ist sie im Kunstbetrieb unterwegs, kauft und fördert, unterstützt und sponsert, was das Zeug hält. Seit 2004 gehört sie zum Direktoren-Board der Kunst-Werke Berlin. Anfang des Jahres wurde sie in das „Trustee Committee on Media“ am Department of Media, MOMA, New York aufgenommen. Welche Funktionen sie dort innehaben soll, bleibt vage. „Die Geschäftsführung soll unterstützt und entlastet werden“, heißt es in Berlin. Aber wie? Personell, finanziell?
Stoscheks Sammlung umfasst Arbeiten von namhaften und auch weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern aus der bislang immer noch als etwas sperrig angesehene Medienkunst. Die hat Unterstützung nötig. Doch schon sind Stimmen zu hören, die der kunstbegeisterten Unternehmertochter mangelnde Kennerschaft und eine Konsumhaltung vorwerfen. „Es war immer schon mein Wunsch, mich mit kreativen Menschen auseinanderzusetzen. Es war einfach so ein ganz großer innerer Wunsch“, sagt die finanzstarke Sammlerin. Das klingt einfach und einleuchtend. Kritische Fragen werden fast vergessen.
Die Brose-Unternehmensgruppe in Coburg ist heute eine Autozulieferer. Das familieneigene, bald 100-jährige Unternehmen ist Nachfolgerin der Firma Max Brose. So ist die junge Frau und mit ihr die Kunst, die sie sammelt, Nutznießerin einer prosperierenden Firma, deren Gewinn auf dem Vermögen aufbaut, das gerade in den Kriegsjahren gemacht werden konnte. Denn in der Zeit des Dritten Reiches hatte man sich offenbar arrangiert und französische, polnische und russische Zwangsarbeiter für die Produktion von Kriegsmaterial eingesetzt. Bislang habe noch niemand sie mit der Frage nach der Herkunft ihres Geldes konfrontiert, bekennt die Sammlerin. Natürlich. Aber man habe im Familienkreis durchaus darüber gesprochen und entschieden, in einen der Fonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter einzuzahlen und so die Vergangenheit wenigstens nicht zu ignorieren.
Die bruchlose Erfolgsgeschichte der Firma Brose ist immerhin eine Grundlage des Geldes, das sie heute als Gesellschafterin in die Lage versetzt, Kunstmäzenin und Sammlerin in großem Stil zu sein. Julia Stoschek ist ein typisches Beispiel für die Enkelgeneration in Deutschland, die über ihr Erbe mit dem Nationalsozialismus konfrontiert wird. Und mit dem Vorwurf, ihr kulturelles Engagement sei doch nur eine Art Ablasshandel.
Auf die Frage nach ihrer Haltung im Diskurs um die wachsende Macht der Sammler und die Selbstentmachtung der Museen antwortet Julia Stoschek politisch korrekt, dass sie das klassische Modell der Sammler-Leihgaben, mit dem auf die Ankaufs- und Ausstellungspolitik der Institutionen Einfluss genommen werden kann, „überhaupt nicht gutheiße“. Die Unabhängigkeit der öffentlichen Kunsthäuser halte sie – natürlich – für überaus wichtig. Sie selbst habe nicht vor, „Museen als Durchlauferhitzer für die Sammlung“ zu benutzen.
KATJA BEHRENS
Die Julia Stoschek Collection wird am 16. Juni in Düsseldorf-Oberkassel an der Schanzenstrasse eröffnet.