piwik no script img

Adenauer statt Rau

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Keine Bundesratsinitiative von Rüttgers‘ schwarz-gelber Koalition für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I. SPD: Populismus scheitert

VON MARTIN TEIGELER

Die Generalrevision von Hartz IV fällt aus. Der Plan von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, älteren Arbeitslosen länger Arbeitslosengeld I zu zahlen, ist offenbar vom Tisch. „Das Thema ist tot“, sagte ein führender Politiker der schwarz-gelben Koalition zur taz. Eine NRW-Bundesratsinitiative dazu werde es nicht geben. Die Landes-CDU will das Thema offiziell nicht beerdigen: „Der Ball liegt bei der großen Koalition in Berlin“, sagte NRW-Parteisprecher Matthias Heidmeier.

„Eine Bundesratsinitiative ist derzeit nicht in Planung“, sagte ein Sprecher der NRW-Staatskanzlei. Der Vorschlag werde aber weiterverfolgt. Wie, ließ er offen. Rüttgers hatte mit seinem Arbeitslosengeld-Vorschlag im vergangenen Jahr einen Richtungsstreit in der Union angezettelt. „Wer lange Jahre eingezahlt hat, muss beim ALG anders behandelt werden als jemand, der nur kurz eingezahlt hat“, so der NRW-Regierungschef. Sein Hartz-IV-Revisionskonzept war Ende 2006 von einem CDU-Bundesparteitag beschlossen worden. Seitdem ist in der Hauptstadt wenig geschehen in Sachen Rüttgers-Plan. „Das Thema liegt in den Ausschüssen und Gremien“, heißt es aus dem Büro eines NRW-CDU-Bundestagsabgeordneten. Und da dürften die Pläne auch liegen bleiben – zu viele Zweifler gibt es in der CDU/CSU-Fraktion und vor allem bei der im Bund regierenden SPD.

„Schwarz-Gelb in NRW muss jetzt einsehen, dass aus Rüttgers‘ unsozialem Vorschlag nichts wird“, sagte Rainer Schmeltzer, Vizechef und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Der „reine Populismus“ des Ministerpräsidenten werde scheitern, sagte der NRW-Landtagsabgeordnete. SPD-Bundesarbeitsminister Franz Müntefering habe ganz klar seine Ablehnung signalisiert, so Schmeltzer über seinen Genossen: „Rüttgers belastet jüngere Arbeitslose – das geht mit der SPD nicht.“ Eigentlich sollte Rüttgers „den Hintern zusammenkneifen“ und eine Bundesratsinitiative für seinen Vorschlag machen, fordert der Oppositionspolitiker. „Doch dann würde Rüttgers bei seinen CDU-Kollegen in den Ländern vor eine Wand laufen.“ Auch die NRW-Grünen sind gegen den Rüttgers-Plan: „Die Zusatzbelastung derjenigen, die gerade eine Familie gründen und für Nachwuchs sorgen sollen, ist eine Sauerei“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Barbara Steffens.

In der Süddeutschen Zeitung wurde am Wochenende über einen Strategiewechsel des Düsseldorfer Regierungschefs spekuliert. Demnach will Rüttgers nicht mehr auf die Rolle des Sozialpolitikers und Parteirebells festgelegt werden. „Rüttgers will raus aus dieser Ecke“, zitierte das Blatt einen CDU-Präsiden. Rüttgers selbst eröffnete gestern in Köln eine Ausstellung zum 40. Todestag des konservativen Ex-Kanzlers Konrad Adenauer – zuletzt war er eher als politischer Nachfahre der sozialen Landesväter Karl Arnold (CDU) und Johannes Rau (SPD) aufgetreten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen