: Schulden und Staatsknete
Wem die Gebühr gebührt (2): In Spanien zahlen die Rundfunkteilnehmer nichts. Dafür löhnt jetzt der Staat
„Rundfunkgebühren?“ – Spanier schütteln verständnislos den Kopf, wenn sie von der deutschen Zahlungspflicht hören. Zwar läuft auch in Spanien die Kiste Tag und Nacht – egal ob zu Hause oder in der Kneipe. Doch dafür bezahlen – für SpanierInnen eine wirklich abstruse Idee.
Das staatliche Radio Televisión Española (RTVE) lebte lange ausschließlich von der Werbung, bis in den 80er-Jahren private Konkurrenz aufkam und sich der Werbekuchen sich auf mehrere Sender verteilte. Die Talfahrt begann. Vor allem das staatliche Fernsehen – das mit seinem ersten und zweiten Programm zusammen etwas mehr als ein Viertel der Zuschauer hält – verschuldete sich zusehends. TVE steht heute mit 7,6 Milliarden Euro in der Kreide.
Diese Schulden haben einen handfesten politischen Hintergrund: Anstatt einen festen und vor allem ausreichenden Betrag zu überweisen, haben die Regierungen – egal ob sozialistisch oder konservativ – die Anstalt jahrzehntelang gezwungen, sich auf dem Kapitalmarkt zu verschulden. Der Staat übernahm lediglich die entsprechenden Bürgschaften.
Doch nun sind die Schulden unerträglich hoch, die amtierende sozialistische Regierung beschloss eine Kahlschlagsanierung: 44,5 Prozent der 9.366 Mitarbeiter werden per Vorruhestand in den nächsten zwei Jahren abgewickelt. Im Januar wurde TVE in eine neue Aktiengesellschaft überführt, bei dem der Staat der alleinige Anteilseigner ist. Die abzubauenden Mitarbeiter bleiben wie auch die horrenden Schulden formell im alten Unternehmen. Die neue, schuldenfreie TVE soll künftig Staatssubventionen erhalten. Vor allem private Produktionsgesellschaften dürfte sich die Hände reiben, denn sie werden fortan produzieren, was mit der schmalen Personaldecke im Hause RTVE nicht mehr möglich ist.
Unabhängigkeit oder Staatsferne waren schon bisher Fremdwörter für RTVE: Der Direktor wurde direkt von der Regierung bestimmt. Eine Parlamentskommission fungierte als Kontrollinstanz. Bei der neuen Gesellschaft ist dies zumindest formell anders. Der Direktor wird nun vom Parlament gewählt, das Vorschlagsrecht hat der RTVE-Aufsichtsrat. So soll mehr Unabhängigkeit garantiert werden, doch de facto kann die Regierungsmehrheit weiter alle wesentlichen Entscheidungen beeinflussen. Betriebsrat, Redaktion und ein Expertenkomitee hätten für die neue RTVE gerne eine Modell wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland gesehen. Doch eine solche echte Reform mochte nicht einmal die Opposition unterstützen. – Wohl mit dem Hintergedanken, dass auch ihr ein Sprachrohr nützt, wenn sie erst einmal wieder an der Macht ist.
REINER WANDLER, MADRID