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Archiv-Artikel

Überlebende zelten für gleiche Rechte

Zwölf Jahre nach dem Massaker im bosnischen Srebrenica protestieren die Hinterbliebenen der Opfer in Sarajevo. Sie fordern rechtliche Gleichbehandlung und einen Sonderstatus für ihre Gemeinde außerhalb der bosnisch-serbischen Teilrepublik

Wir wollen endlich die Menschenrechte auch in Srebrenica verwirklicht sehen

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Auf dem Gelände hinter dem Stadion der bosnischen Hauptstadt Sarajevo sind die Zelte schon aufgebaut. Die Überlebenden des Massakers von 1995 an der Bevölkerung von Srebrenica machen mobil. Wenn ihre Forderungen nach einem Sonderstatus für Srebrenica nicht erfüllt würden, würden sie in diese Zeltstadt umzusiedeln, drohen sie. Am Sonntag kam der erste Bus mit Frauen und Kindern in Sarajevo an.

Der 28-jährige Camil Duraković überlebte als 16-Jähriger das Massaker an 8.000 Menschen, bei dem fast seine gesamte Familie ermordet wurde. Er will nun helfen, die furchtbaren Zustände für die zurückgekehrte muslimische – bosniakische – Bevölkerung Srebrenicas zu verbessern. Genaue Zahlen gibt es noch nicht, aber die Gemeinde Srebrenica, die auch die umliegenden Dörfer umfasst, ist wieder mehrheitlich bosniakisch. Viele Überlebende des von den serbischen Kriegsverbrechern Ratko Mladić und Radovan Karadžić zu verantwortenden Massakers sind zurückgekehrt.

Der Wiederaufbau geht seither nur schleppend voran. Viele Millionen der Finanzhilfen sind versickert. „Wo das Geld geblieben ist, diese Frage müssen die Verantwortlichen in den Institutionen beantworten. Uns geht es aber um mehr als Geld, wir wollen endlich die Menschenrechte auch in Srebrenica verwirklicht sehen,“ erklärt Camil Duraković. Die Rückkehrer lebten im rechtsfreien Raum, der serbische Teilstaat kümmere sich weder um Krankenversicherung noch um die Renten. In der Schule würde serbische Propaganda verbreitet. „Ein Teil der serbischen Polizisten in Srebrenica haben an dem Massaker teilgenommen. Deshalb fordern wir die Ausgliederung der Gemeinde Srebrenica aus der serbischen Teilrepublik.“

In Bosnien und Herzegowina wirbelt die Aktion viel Staub auf. Zögerlich haben bosniakische Politiker die Forderungen übernommen, weisen aber darauf hin, dass ihre Erfüllung nur nach einer Verfassungsreform möglich ist, die Diskriminierungen verbietet. Eine solche Reform verhindert die serbische Teilrepublik.

Der Hohe Repräsentant Christian Schwarz-Schilling erklärte, nur die Republika Srpska selbst könne über den Status der Gemeinde Srebrenica entscheiden. Doch langsam mehren sich kritische Stimmen. Es könne nicht sein, in Europa Menschenrechte zu schützen, in Bosnien aber deren Verletzung zuzulassen, sagt der Vizevorsitzende der deutsch-bosnischen Parlamentariergruppe, der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand. „Man kann nicht mit zweierlei Maßstäben Politik machen.“ Auch der US-Botschafter sagte Srebrenica seine Unterstützung zu, warnte aber vor dem Auszug. „Dies bedeutet die endgültige ethnische Säuberung der Stadt.“

„Wir machen keine Revolution, wir nehmen nur unser demokratisches Recht wahr“, erklärt Camil Duraković. „Doch alle Institutionen müssen antworten. Die UN hat die seit 1993 bestehende UN-Schutzzone Srebrenica nicht aufgehoben und steht deshalb in der Verantwortung.“