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Archiv-Artikel

Mit Hochgeschwindigkeit gegen Billigjets

Europäische Schienenallianz soll Service verbessern. Verbände kritisieren fehlenden Ausbau im Nahverkehr

BERLIN taz ■ Durch die geplante Allianz von sechs europäischen Bahngesellschaften dürfen die KundInnen in Deutschland mit besserem Service und Angeboten bei Zugreisen ins Ausland rechnen. Das ist das Urteil der deutschen Fahrgast- und Verkehrsverbände. „Die europäischen Netze wachsen immer stärker zusammen. Das dient dem Kunden“, sagte Andreas Geißler, Verkehrsexperte der Allianz pro Schiene. Durch die stärkere Vernetzung der Bahnunternehmen könnten etwa die Tarife besser aufeinander abgestimmt und die Preisinformation für grenzüberschreitende Fahrten verbessert werden.

Bis Dezember wollen sich die Bahngesellschaften aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich und der Schweiz sowie das französisch-britische Unternehmen Eurostar zu einem „Railteam“ zusammenschließen. Mit der Kooperation wollen die Bahnunternehmen unter anderem die Fahrpläne besser aufeinander abstimmen und damit das Zugreisen ins Ausland einfacher machen. Konkret heißt das unter anderem: „Bald wird der Kunde bei Fahrten nach Frankreich statt zwei nur noch ein Ticket brauchen. Das senkt die Verwirrung“, sagte Bahnsprecher Andreas Fuhrmann.

Mit der Allianz ziehen die benachbarten Verkehrsunternehmen eine Konsequenz aus dem Ausbau der westeuropäischen Hochgeschwindigkeitsnetze in den vergangenen Jahren. Allein in Deutschland sind einige hundert Kilometer dazu gekommen. Hier ist das Netz für Züge ab 230 km/h Höchstgeschwindigkeit nun insgesamt 1.100 Kilometer lang. Bis Ende dieses Jahres werden mehrere neue Verbindungen ins Ausland eingeweiht. Ab Dezember wird es eine Direktverbindung mit ICE zwischen Berlin und dem dänischen Kopenhagen geben. Im Zwei-Stunden-Takt sollen zudem erstmals ICE-Züge von Frankfurt am Main nach Wien fahren. Weil in Frankreich demnächst eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke in Betrieb geht, werden ab dem 10. Juni Züge von Stuttgart und Frankfurt am Main regelmäßig nach Paris und zurück fahren.

Auf diesen Strecken wollen die Zugbetreiber sogar die harte Konkurrenz der Billigflieger schlagen. Von Stuttgart nach Paris werden die Züge laut Deutscher Bahn ab Mitte Juni statt sechs nur noch gut dreieinhalb Stunden brauchen. Das wäre vergleichbar mit der Flugzeit auf dieser Strecke, inklusive Ein- und Auschecken. Mit einem Sonderangebot von 29 Euro von Juni bis August für die Strecke Frankfurt–Paris sollen auch deren Preise unterboten werden.

Von all der Euphorie um die neuen Hochgeschwindigkeitsnetze profitiert der Nahverkehr jedoch wenig, befürchtet Hartmut Buyken vom Verband Pro Bahn: „Die größten Versorgungslücken gibt es nicht auf den schnellen Strecken, sondern im grenzüberschreitenden Nahverkehr.“ In vielen Regionen, etwa zwischen dem Ruhrgebiet und den Grenzstädten in den Niederlanden, gebe es nur wenige Zugverbindungen. Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland fordert von der Bahn, das komplette Netz im Blick zu behalten: „Die Menschen müssen auch mit dem Nahverkehr zu den Hochgeschwindigkeitsstrecken hinkommen. Auf den Strecken, die unter 200 km/h befahren werden, bemüht sich die Bahn aber kaum.“

MORITZ SCHRÖDER