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Archiv-Artikel

Weiter Unklarheiten im Nadine-Prozess

Die Staatsanwaltschaft fordert achteinhalb Jahre Gefängnis für Daniel M. Er habe das kleine Mädchen aus Gifhorn mehrfach misshandelt und getötet, weil seine Frau fremd ging. Wann und wie, ist allerdings immer noch unklar

„Sie“, sagte Wolfgang Scholz scharf in Richtung des Angeklagten, „lachen häufig an der falschen Stelle“. Daniel M. hatte geschmunzelt, als Staatsanwalt Scholz bei seinem Plädoyer referierte, wie M. im Februar 2000 heiße Kartoffeln ins Gesicht seiner Lebensgefährtin Susanne schmiss und sie würgte. Das war die Zeit, als Daniel M. erfahren hatte, dass sie in einem Single-Club „intime Kontakte“ zu jemandem gehabt habe, der „nicht so eine Flasche wie der Ehemann im Bett“ gewesen sei.

Das dürfte der bis heute unbekannte leibliche Vater der kleinen Nadine aus Gifhorn sein, über deren mutmaßlich qualvollen Tod das Gericht seit März verhandelt. M. sei kein „dauerhaft gefühlloser Mensch“, sagte der Staatsanwalt. Und doch forderte er gestern wegen mehrfacher Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung Schutzbefohlener achteinhalb Jahre Haft für den 32-Jährigen. Wegen unterlassener Hilfeleistung beantragte er zudem ein Jahr auf Bewährung für die 30-jährige Susanne M. Beide verfolgten den Rest des Prozesses mit versteinerter Miene.

Daniel M. habe die im Oktober 2000 geborene Nadine geschlagen, weil er glaubte, sie sei nicht seine Tochter, sagte der Staatsanwalt. Ein Foto des Babys zeige Prellungen und Verbrennungen, die unzweifelhaft vom „gehörnten Ehemann“ stammten. Häufig habe sich das Ehepaar wegen der Eskapaden von Susanne M. gestritten. „Er konnte sich nicht konsequent durchsetzen“, sagte Staatsanwalt Scholz über Daniel M. Die Ohnmacht über das „zügellose Treiben“ seiner Frau habe er an dem kleinen Mädchen abreagiert, eine fahrlässige Tötung schloss der Staatsanwalt aus.

Die Version der Angeklagten, die damals zwei Jahre alte Nadine sei im Januar 2003 durch einen Sturz aus dem Hochbett umgekommen, sei ein Lügenmärchen, sagte Scholz. Während die Mutter behauptet hatte, das Mädchen sei am Morgen nach dem Sturz tot gewesen, hatte Daniel M. zu Protokoll gegeben, Nadine habe danach noch mehrere Tage gelebt.

Wie und wann das Mädchen getötet wurde, ist weiter unbekannt. Auch der Leichnam Nadines wurde trotz intensiver Suche nicht gefunden. Deshalb stützt sich die Anklage vor allem auf die Aussage einer Freundin der Mutter. Ihr hatte sich Susanne M. angeblich im Oktober 2006 offenbart, als es eng zu werden drohte: Einer im November 2003 zur Welt gekommenen Tochter hatten die Eltern nämlich den Namen der verstorbenen Nadine gegeben und die Geburt nicht angezeigt. Zur Schuleingangsuntersuchung war die Mutter mit dem Mädchen erschienen und hatte behauptet, es sei kleinwüchsig. Das Urteil wird am Freitag, dem 4. Mai, erwartet. KAI SCHÖNEBERG