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Archiv-Artikel

Eine veritable Umweltpartei

Dagegen kommt keine Opposition an: Die CSU hat immer recht – egal bei welchem Thema. Wenn es das Volk so will, dann eben auch beim Klimaschutz

VON MAX HÄGLER

Es ist quasi der Traum eines jeden Umweltpolitikers: Kabinettsklausur im Schneefernerhaus auf der Zugspitze. Der Politiker hat den Überblick, vielleicht sogar Weitblick, wie bestenfalls manche mitgereisten Journalisten und damit die Menschen glauben. Gestern gab’s so was mal wieder. Um 10 Uhr schraubte sich der Sonderzug der Eibsee-Zahnradbahn hinauf auf den Gletscher, an Bord Edmund Stoiber – Bayern-Chef und neuerdings auch Klimafan – samt Entourage, dazu zwei Dutzend Journalisten. Oben dann diskutieren die Minister hinter verschlossenen Türen über Kohlendioxid und Umweltzonen und vielleicht auch darüber, ob Erwin Hubers jüngste Forderung nach einer europaweiten Besteuerung von Flugbenzin doch zu gewagt ist. Und vielleicht erneuerte Parteigeneral Markus Söder seine Forderung, dass ab dem Jahr 2020 nur noch Autos mit Hybridmotoren verkauft werden dürfen.

Bestens gelaunt auf dem Gipfel

Auf knapp 3.000 Metern, hoch über Garmisch-Partenkirchen, fasste schließlich der bestens gelaunte Regierungschef diese Politikfelder in einer Pressekonferenz zusammen – und fertig ist – zwanzig Jahre nach den Grünen – eine scheinbar veritable Umweltpartei. Die CSU. Denn trotz ideologischer Scheu schaut die Volkspartei eben doch sehr weitgehend dem Volk aufs Maul – das ist verschreckt vom wenigen Schnee und den Alarmmeldungen in den Medien. Und so hat eben seit ein paar Wochen das Klima in der CSU inzwischen einen Stellenwert erlangt, der einen manchmal glauben lässt, da sprächen die Grünen.

Genau das wird langsam zum Problem für die echten Grünen in Bayern. Im Januar hatten sie noch eine Brise Regierungsluft geschnuppert, als Klimawandel und Stoiber-Sturz zusammenfielen. Es keimte Hoffnung, dass angesichts dieser günstigen Umstände ein paar mehr Bürger, als die 9 Prozent von der letzten Wahl, von der Volkspartei CSU zu den Grünen abwandern würden. Aber inzwischen steht Stoiber wieder, mit starker Hand regiert er in seinen letzten fünf Monaten. Und die Schwarzen haben den Klimawandel für sich und ihre Umfragewerte entdeckt.

Klimaschutz im 7er-BMW

Vorläufiger Höhepunkt: Edmund Stoiber selbst, der in Abstimmung mit Kanzlerin Merkel und der EU-Kommission Ende März durch Asien tourte und in Singapur, Indien und Südkorea auf die Einhaltung von Umweltnormen und Klimaprotokollen pochte – in manchen Momenten beinahe ohne Rücksicht auf die mitgereisten Wirtschaftsvertreter. Seit der Chef diese neue Linie exerziert, bieten auch die Pressestellen des bayerischen Kabinetts ein Höchstleistungsprogramm. Allein an diesem Montag hatten drei Kabinettsmitglieder Platz im Terminkalender gemacht für das Klima: Umweltminister Werner Schnappauf und Erwin Huber, Wirtschaftsminister und Möchtegern-CSU-Chef posierten lachend vor ihren neuen Dienstwägen: 7er-BMWs mit Wasserstoffantrieb. Dazu gab’s grüne Worte von den Schwarzen: „Nicht nur die Fahrzeugindustrie, die gesamte Wirtschaft muss den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren, damit wir den Klimawandel noch abfangen können.“ Währenddessen besuchte Staatskanzleichef Sinner das Solartechnik-Unternehmen SolarTec – wieder ein Anlass zum beliebten weiß-blauen Ranking-Spiel, wie auch Sinner, dessen Partei bislang der stärkste Verfechter des Atomstroms ist, selbst überrascht feststellen musste. „Was wenig bekannt ist: Bayern ist Weltmeister beim Solarstrom!“ 2005 sei jedes vierte Solarmodul weltweit in Bayern installiert worden, jede zweite deutsche Anlage stehe im Freistaat. Gestern eben der CSU-Klimagipfel auf der Zugspitze – und heute sitzt der Umweltminister eine Stunde am Klimatelefon. Und dazu der Parteigeneral Markus Söder, der inzwischen richtig grün quengelt. Grünes Allerlei fordert er, etwa Rabatte auf die Erbschaftssteuer, wenn damit Gebäude energiesparend saniert werden. Hybrid- und Wasserstoffautos verpflichtend ab 2020. Und damit dies auch alles gut ausschaut und beim Bürger ankommt, will Söder das Umweltministerium auch noch in Klimaministerium umbenennen.

Es war nicht immer so im Freistaat. Im Expertenpapier „Zukunft Bayern 2020“, das die kommenden dreizehn Jahre in Bayern politisch skizzieren soll und vergangenen Freitag vorgestellt wurde, findet sich überhaupt nichts Relevantes zum Thema Klimawandel. Kein Wunder, Stoiber hatte das Papier im vergangenen Herbst in Auftrag gegeben – lange vor dem derzeitigen Trommelfeuer aus UN-Berichten und Bild-Schlagzeilen.

Urgrünes von der Jungen Union

Die wenigen Landespolitiker in der CSU, denen die Umwelt seit jeher am Herzen liegt, zweifeln daher, ob der CSU-Kurs in Richtung „Megathema“ Klima nachhaltig und glaubwürdig ist. Josef Göppel etwa, Umweltexperte und Bundestagsabgeordneter aus Franken, warnt seine Parteifreunde vor der Landtagswahl 2008: „Wenn die CSU keinen klimafreundlichen Kurs einschlägt, wird sie womöglich einen Koalitionspartner brauchen.“ Die Junge Union Bayern vertraut den Showeinlagen vor BMW und Schneefernerhaus ebenfalls nicht so wirklich: „Den Reden müssen nun Taten folgen“, forderten die Nachwuchs-CSUler gestern. Um gleich noch eine urgrüne Forderung mit dranzuhängen: „Bayern soll Biomasseland werden!“

Für die weißblauen Grünen stellt sich trotz der Glaubwürdigkeitsprobleme der CSU die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal. Umwelt allein reicht nicht mehr. Der Trachtenjanker des Vorsitzenden Sepp Daxenberger kann’s auch nicht sein, solche Heimatsymbolik beherrscht die CSU selbstverständlich auch. Und die ganz offensichtliche ideologische Konfrontation ist zumindest in manchen Teilen nicht mehr vorhanden. Dass etwa – Gott hab’ ihn selig – Franz Josef Strauß anno dazumal die Grünen zu Verfassungsfeinden erklärte, ist der heutigen Generation schon beinahe kein Begriff mehr.

Kritik ist schwer vermittelbar

Also setzen die Grünen doch wieder bei den Inhalten an, die bei allem Klima-Glanz doch kritikwürdig sind. Aber solcher Detaillismus, etwa dass Wasserstoff-BMWs derzeit beileibe nicht energieeffizient sind, sondern nur gut ausschauen, ist schwieriger zu vermitteln, als eine Limousine mit einem blauen Engerl samt „Innovations“-Aufkleber auf der Heckscheibe.

Die Krux ist: Ganz falsch kann nicht sein, was ziemlich grün daherkommt von den Schwarzen. Das hat auch der oberste bayerische Parteienforscher erkannt. Vor einigen Wochen saß Professor Heinrich Oberreuther, CSU-naher Politikberater und beinahe einziger Politologe mit Expertise in ebenjener Partei, bei einer Gesprächsrunde der Landtags-Grünen. Und es fiel genau der Satz, der die Oppositionsarbeit zunehmend schwierig macht: „Sie stehen vor dem Problem, dass ihre Themen inzwischen Themen von allen sind.“ Und nicht zu vergessen: Bayern hat mit der CSU eine eigene Partei. „Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dieser Alleinvertretungsanspruch“, erinnerte Oberreuter „Alle anderen sind Landesverbände von Bundesparteien.“ Eben auch – trotz Trachtenjanker – die Grünen, und – trotz des Attributs „BayernSPD“ – die Sozialdemokraten. Die saßen an dem aufschlussreichen Abend übrigens auch im Maximilianeum, allerdings im Saal nebenan, um einer philosophischen Debatte mit dem ehemaligen Staatsminister Nida-Rümelin zu lauschen. Auch das ist so eine Besonderheit in Bayern: Die politischen Beobachter wundern sich manchmal, wie ungeschickt sich die beiden Oppositionsparteien immer wieder aneinander reiben – um dann doch den gemeinsamen Machtwechsel herbeizuwünschen. Wobei man bei der SPD noch verzagter ist als bei den Grünen – für die Sepp Dürr sagt: „Ich will etwas bewegen, also will ich an die Macht!“ So ein Satz von den bayerischen Sozialdemokraten? Nicht erinnerbar.

Die Roten sind ausgelaugt nach Jahrzehnten des Vorschlagens und Abgewiesenwerdens: „Die Regierung weist Vorschläge immer zurück und bringt sie einige Wochen später selbst ein“, bestätigt Oberreuter die leidige Arbeit in der bayerischen Landtagsopposition, die gegen die „Aktionseinheit“ aus CSU-Mehrheit, Parteizentrale und Staatsregierung antreten muss. Letztes Beispiel ist wiederum der Zukunftsplan „Bayern 2020“. Milliarden für Bildung, Ganztagesschulen, Kitas und Forschungszentren – was Stoiber jetzt begeistert, hatten Rot und Grün in den letzten Jahren immer wieder vergeblich eingefordert, genauso eben wie einen Wandel im Umweltdenken. Ausweg gibt es keinen aus diesem „Copyshop-System Landtag“ (Dürr), meint Oberreuter: „Das Volk erwartet von der Opposition, dass sie die Regierung unterstützt. Sie kann es sich nicht leisten, die Ideen für sich zu behalten.“

Gestern haben die Grünen den Vorschlag ganz konstruktiv umgesetzt: Die grüne Landtagsfraktion ist gesammelt mit auf die Zugspitze gefahren, um beim Klima-Gipfel ein wenig Druck zu machen – und um klarzustellen, wer den Überblick hat bei Umweltthemen. Das nicht besonders eigenständige Motto des spontanen Ausflugs: „Eisbär statt Stoiber.“