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Archiv-Artikel

Unentschlüsselbare Bilderfallen

FOTOGRAFIE Elf große Mode-Portfolios hat der Fotograf Philip-Lorca diCorcia inzwischen erarbeitet. Der Band „Eleven“ fasst sie nun erstmalig zusammen

Von WBG

Philip-Lorca diCorcia, 1953 in Hartford/Connecticut geboren, hat zu Beginn der 1990er Jahre die Straßenfotografie konzeptuell neu definiert, als er ihr dokumentarisches Prinzip mit inszenatorischen Mitteln durchlöcherte. Mit einer komplexen Anordnung von Blitzanlage und Kamera baute er im öffentlichen Raum eine Art Bilderfalle für die vorübergehenden Passanten auf, die er so zu Hauptdarstellern auf seiner ganz eigenen städtischen Bühne machte.

Seine Streets sahen also wie Standbilder nie gedrehter Filme aus und die Szenen des banalen urbanen Alltags umgab plötzlich ein Geheimnis, eine Geschichte, die man unwillkürlich in den Bildern zu lesen suchte. Natürlich wollte die Life-Style-Presse mit diesem Fotografen arbeiten. Aber nur das Werben des Modemagazins W mit seinem Kreativdirektor Dennis Freedman war erfolgreich. Bei völliger Freiheit für den Fotografen entstanden über die Zeit von rund zehn Jahren elf große Mode-Portfolios, die nun erstmals zusammengefasst in einem Band zu betrachten sind: Philip-Lorca diCorcia: „Eleven“ (Feymedia Verlag, Düsseldorf 2011, 288 Seiten, 119 vierfarbige Abbildungen, 65 Euro).

DiCorcia situiert seine unentschlüsselbaren Szenarien in den großen Weltmetropolen wie Paris, Los Angeles und New York, aber auch in St. Petersburg oder Havanna. Sie spielen gerne unter den Reichen und Schönen; wie im Fall von Kairo kommt aber auch die freie Natur ins Bild, die Kamelherde in der angrenzenden Wüste oder schäbige Büros in Havanna und in New York 08/15-Bars. Immer trifft man jedoch auf bekannte Models, sein einziges Zugeständnis an die für den Modebetrieb so wichtige Wiedererkennbarkeit der Aufnahmen als Fashion Shots. Tatsächlich referiert diCorcia aber eher auf die klassische Reportage- oder die Porträtfotografie wie bei seinen Fotos von Isabelle Huppert und auf die Kunstgeschichte, wenn er auf Kuba Hoppers „Nighthawks“ wiedererfindet. B. Werneburg