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Archiv-Artikel

Bleistifthosen, wildes Haar, Sarkasmus im Mundwinkel

HUNGRIGE AUGEN Männer schreiben das nicht – eine Randnotiz zu Schönheit und Körperlichkeit des jungen Bob Dylan

Die ultimative Coolness: Bis heute orientieren sich die Hipster an seinem Look

Schönheit. Die Antwort, mein Freund, ist: Schönheit. Männer schreiben das nicht. Sie zählen, wie oft in Bob Dylans Werk das Wort time vorkommt (259-mal bis 1994); sie schreiben über nötige Nobelpreise, Stimmreifung und Intellektualität.

Angesichts Schauspieler- oder Sängerinnen darf man ausrufen: „Welch Schönheit!“ Ein legitimes Kriterium. Zu suggerieren, der Erfolg eines Mannes beruhe zu Teilen auf seiner Schönheit, grenzt an Beleidigung. Männer sind nicht schön. Sie müssen das nicht sein. Und sie werden verdammt noch mal nicht so genannt. Aber Bob Dylan war schön. So verteufelt schön, dass über vierzig Jahre alte Fotos aktuelle Publikationen zieren. Nicht der knittrige 70-Jährige blickt vom Pop-Magazin und Dylan-Lesebuch – es ist der Jüngling mit Locken und Schmollmund.

Die Metamorphose von Dylans Körper, an deren Ende die Ikone herauskommt, die bis heute Gültigkeit hat, dauert bis 1966. Anfang der Sechziger geriert er sich als Landstreicher, eben aus dem Güterzug gefallen. Freundin Suze Rotolo beschreibt seine sorgsam zerknitterte Kleidung und körperliche Ungepflegtheit. Dylans Zähne sehen auch immer etwas schmutzig aus, auf Fotos der Zeit. Man riecht beinah die dumpfen Ausdünstungen von Haar, alter Kleidung, Tabak.

Seine Physiognomie wandelt sich von Pausbäckigkeit zu Aufgedunsenheit. Der Babyspeck schmilzt aus dem Gesicht des Anfang 20-Jährigen, um sich Jahre später in einer fast nicht zu ertragenden Sattheit erneut zu zeigen. Dazwischen: der Peak. Gipfel der Schönheit. 1965, 1966.

Cate Blanchett hatte es leicht, als beste Dylan-Darstellerin in „I’m not there“ gefeiert zu werden – stellt sie doch den Barden in seiner präpotentesten Phase dar. Ihr reales Äquivalent lehrte 1965 durch „Don’t look back“ – die ultimative Coolness-Doku – Patti Smith, ihre Art, zu gehen. Bis heute orientieren sich die Hipster an seinem Look.

Der Dylan-Körper 1966: staksig und hohlwangig von zu vielen Konzerten, Zigaretten, zu viel Arbeit. Bleistifthosen, wildes Haar. Sarkasmus im Mundwinkel, Hunger in den Augen; die flirrende Hibbeligkeit auf der Bühne. Ein Besessener. Welch Schönheit!

1966 verschwindet Bob Dylan für acht Jahre von der Bühne, um vier Kinder zu zeugen und sein Image fortan als abgehalfterter Haderer mit Backenbart selbst zu dekonstruieren.

Doch gegen seine einstige ewige Schönheit, dieses Idol in Aspik, hat er keine Chance.

KIRSTEN REINHARDT