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Archiv-Artikel

Raufende Mädchen

SPORT Rugby ist in Deutschland eine Randsportart. Der Rugby Klub 03 Berlin versucht, das Spiel auch für Frauen attraktiv zu machen. Mit Vivian Bahlmann hat der Verein eine aktuelle Nationalspielerin in seinen Reihen, die gern mal bei Olympia mitspielen würde

„Rugby war einfach perfekt für mich“

VIVIAN BAHLMANN, SPIELT BEIM RUGBY KLUB 03 UND IM FRAUEN-NATIONALTEAM

VON LISA OPITZ

Wie eine Schraube dreht sich der ovale Ball und saust über das Spielfeld. Schnell wird er von Spielerin zu Spielerin geworfen. „Hier! Hieeer!“, schreit die junge Frau mit den blonden langen Haaren und hält beide Arme in die Luft gestreckt. Der Ball fliegt in ihre Richtung. Sie hascht ihn aus der Luft, locker-leicht sieht das bei ihr aus. Dann sprintet sie über das Spielfeld dem Tor entgegen, das hier kein Fußballtor ist, sondern an ein riesengroßes „H“ erinnert. Hinter der Linie drückt die Spielerin den Ball auf den Boden und lässt ihn liegen. Punkt für ihr Team.

Es ist Donnerstag, halb acht am Abend. Die Spielerinnen der Frauenmannschaft des Rugby Klub 03 Berlin (RK 03) trainieren in ihrem Stadion in der Buschallee. Seit elf Jahren gibt es den Verein – zumindest unter diesem Namen. Bis zur Abspaltung 2003 existierte er als Rugbyabteilung im Post SV Berlin. „In den letzten Jahren ist die Mitgliederzahl auf über dreihundert angewachsen“, erzählt Sportdirektor Christian Lill stolz. Und darunter sind eben auch etwa 45 Frauen.

Eine von ihnen ist die Spielerin, die eben den Punkt für ihr Team geholt hat, Vivian Bahlmann. Bahlmann kam einst durch ein Schnuppertraining als junges Mädchen zum RK03. Das war vor zehn Jahren. „Rugby war einfach perfekt für mich“, sagt die heute 22-Jährige. Sie sei als Kind schon sehr rauflustig gewesen. Heute lebt und studiert die gebürtige Berlinerin in Köln, trainiert in der Sportfördergruppe der Bundeswehr und ist Teil der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Da die 7er-Rugby-Variante ab 2016 olympisch ist, hofft Bahlmann gar, eines Tages an den Spielen teilnehmen zu können.

„Die meisten stellen sich eher kräftige Frauen vor“, sagt sie über die Klischees, die in Bezug auf Frauen-Rugby existieren. Auch die Frage, wie viele Spielerinnen der Mannschaft denn lesbisch wären, höre sie oft genug. Das Stereotyp kontert sie mit einem anderen Stereotyp: „Dabei machen wir uns wie andere Mädchen zum Beispiel auch gerne die Nägel. Oder wir stehen nach dem Spiel in der Umkleide und fragen uns, was wir nur anziehen sollen.“

Das Bewusstsein für Randsportarten wie Frauenrugby wächst zwar, von Bekanntheit kann aber noch keine Rede sein. Der RK 03 versucht deswegen stetig, neue Mitglieder zu gewinnen. Er ist einer von insgesamt sieben Rugby-Vereinen in Berlin. Nur drei von ihnen trainieren auch Frauen. Die meisten Mitglieder bezieht der RK 03 über seine Schulwerbung. „Ich gehe in die Schulen und stelle den Kindern im Sportunterricht den Rugby-Sport vor“, sagt Christian Lill. Außerdem werden auch im Rahmen des Hochschulsports Frauenrugbykurse beim RK 03 angeboten. So würden hin und wieder neue „Ladies“ dazustoßen, wie Lill die Spielerinnen nennt. „Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.“

Bei den Männern ist Berlin schon länger eine gute Rugby-Adresse: Zwar gingen die deutschen Meistertitel meist in die Rugbyhochburg Heidelberg, aktuell ist Berlin aber mit drei Vereinen in der dreigestaffelten Bundesliga vertreten. Neben RK 03 sind dies der Berliner Rugby Klub und der Berliner SV 1992.

Welchen Weg Vivian Bahlmann in Zukunft einschlagen wird, weiß sie noch nicht. Noch im September endet die Sportförderung, durch die sie ihren Lebensunterhalt und ihre Karriere momentan finanziert. „Vielleicht könnte ich Sporthilfe bekommen, Bafög oder Kindergeld beantragen“, sagt sie. Auf jeden Fall möchte sie ihre Sportkarriere nicht vernachlässigen.

Obwohl die Karrierechancen in dieser Randsportart natürlich eher gering sind, wie auch Lill weiß: „Rugby ist immer noch eine Sportart, in die man selbst viel Herzblut reinstecken muss und leider auch finanzielle Mittel.“ Weder in Deutschland, noch den umliegenden Ländern würden große Summen in den Sport investiert.

Das macht sich auch im RK 03 bemerkbar. Lill ist der einzige Mitarbeiter mit einer Festanstellung. Der gesamte Vorstand des Vereins besteht aus ehrenamtlichen Mitarbeitern. Auch die Betreuung der Teams während des Trainings und der Wettkampfreisen wird von Freiwilligen übernommen.

Trotzdem: Im geringen Bekanntheitsgrad sieht Lill auch Potenzial für die Spielerinnen des RK03. Die Zahl deutscher Rugbyspielerinnen sei immer noch sehr überschaubar, und so sei auch die Leistungsdichte bei den Frauen nicht so hoch wie etwa bei den Männern. Im Klartext heißt das, dass der RK 03 in den nächsten fünf Jahren noch ein paar Nationalspielerinnen mehr hervorbringen möchte.

Auch für Lill geht der Blick Richtung Olympia. Wie sich der Rugbysport in Deutschland in Zukunft entwickelt, hängt für ihn von der Qualifikation für die Spiele 2016 und 2020 ab. „Ich bin diesbezüglich realistisch und denke, es wird für diesen ersten Zyklus wohl noch nicht reichen“, sagt Lill. Eine Qualifikation für 2020 hält er jedoch durchaus für möglich.

„Unsere Nationalmannschaft muss noch besser werden, dann können wir vielleicht auch irgendwann mit anderen Ländern mithalten“, sagt Bahlmann. Sie hofft auf den großen Qualitätssprung im deutschen Frauen-Rugby. Und ihre Augen strahlen, wenn sie an eine Zukunft des Sports mit dem ovalen Ball denkt, in der dieser einmal nicht mehr randständig ist.