: Der Erniedrigte und der Beleidigte
GOLF Schon zum dritten Mal in Folge siegen die Europäer beim Ryder Cup im Duell gegen die US-Amerikaner. Im Anschluss zerfleischen sich die Verlierer auf offener Bühne
VON BERND MÜLLENDER
Martin Kaymer erwies sich auch im schottischen Gleneagles mal wieder als Sphinx. Er spielte Freitag und Samstag in den Doppeln höchst mittelmäßig und schaffte dabei in drei Partien keinen Sieg. Sonntags im Einzel fegte der 29-Jährige dann den Doppelsieger im Masters, Bubba Watson, förmlich vom Platz und holte den vorentscheidenden Punkt zum Sieg. Und wieder einmal tauchte er danach unter. Als das Team Europa nach der Siegesfeier am späteren Abend zur großen Pressekonferenz antrat, manche schon beschickert vom vielen Champagner und in exquisit alberner Stimmung, sagte wer als einziger nicht einen Satz: Martin Kaymer. Es gab auch keine Frage an den Deutschen.
Kaymer, die aktuelle Nummer 12 der Weltrangliste, ist immer dabei, spielt seine Runde Golf und geht in Deckung. Die Fans besingen ihn, aufmunternd gemeint, mit „Kaymer, Kaymer, Chameeleooon …“ Die fanatische Partystimmung auf den Tribünen lobte das Golf-Chamäleon wie alle, aber er nahm prophylaktisch eine Kopfschmerztablette gegen den Krach, „weil ich wusste, dass es laut wird“. Immerhin kein Ohropax.
Es sei „einer der besten Ryder Cups gewesen“, die er mitspielen durfte, hatte Martin Kaymer gleich nach seiner Runde gesagt. Eine üppige Analyse für einen, der zum dritten Mal dabei war – und den Hattrick bei diesem mitreißenden Prestige-Event mit drei Siegen schaffte. Das erste Mal war das umwerfende erste Mal, beim zweiten Mal, 2012, hatte er den entscheidenden Putt versenkt zum Sieg, weil ihn die zufällige Dramaturgie in diese Situation gebracht hatte. Und jetzt das dritte Mal, eines der besten … Na ja. So euphorisch könnte auch Frau Merkel formulieren.
Rory McIlroy, die nordirische Nummer 1 der Welt, wusste gar nicht, dass er einen Rekord eingestellt hatte: Zwei Majors in einem Jahr gewonnen und Ryder Cup Sieger, das war zuletzt in den Siebzigern dem legendären Tom Watson gelungen. Jener Watson, der 2014 Team Captain der USA war und nach der Niederlage am Pranger steht: Er hätte sich beim chancenlosen 11,5:16,5 verzockt, die falschen Spieler zusammengestellt, uninspiriert und falsch taktiert.
Phil Mickelson, 44, der US-Veteran, schoss Sonntagabend plötzlich aus der Defensive hervor. Er schwärmte, wie sehr die Spieler 2008 beim letzten US-Sieg involviert waren, wie sie mitbestimmten, wer mit wem spielt, wie man sich taktisch in welcher Situation verhält. Anders, so Mickelson, bei Altmeister Tom Watson, 65. Der habe entschieden und fertig – „und hatte keinerlei Matchplan“.
Mickelsons Attacke in der Öffentlichkeit war übermäßig kritisch und ungewöhnlich illoyal. Watson verteidigte sich diplomatisch („Meine Philosophie ist eine andere“), Mickelson schoss weiter – ein Schauspiel bei der internationalen Pressekonferenz nah am Zerfleischen. Jedenfalls liefert es reichlich Diskussionsstoff für die nächsten Tage. Mit der deutlich schlechteren Ausgangslage für Legende Tom Watson, sollte man meinen.
Wer allerdings im Verdacht steht, beleidigt zu sein, steht nicht besser da. Watson hatte Mickelson am Samstag komplett pausieren lassen. Das war dem Altstar noch nie passiert. Die Golf-Haudegen, auch aus Europa, verteidigten derweil den Autokraten Watson. Der Engländer Nick Faldo etwa sagte: „Phil hat Tom direkt vor den Bus geworfen.“ Sprich: Zum Abschuss freigegeben. Respektlos sei das und ungehörig. Und man erinnerte an Mickelsons grauslige Statistik im Ryder Cup: Von zehn Auftritten hat er acht Mal verloren. Er sei als einziger privat angereist nach Gleneagles. Nicht eben ein Teamplayer.
Als Mickelson, der idealtypische Anti-Kaymer, losgeschimpft hatte am Sonntagabend, besangen tausende Fans immer noch die alte Welt mit ihrem glorreichen Team aus zehn Nationen: „Europe, Europe …“ Und Rory McIlroy, der Nordire, freute sich: „Wow, die Stimmung hier ist wirklich wie auf dem Fußballplatz.“ McIlroy sagte Soccer, nicht Football. Ein kleiner Gruß an die schwer deprimierten Verlierer.