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Archiv-Artikel

Allianz der Demokratien

Damit der Westen wieder handlungsfähig wird, muss er bald aus Afghanistan abziehen. Nur so kann er effektiv gegen die großen und kleinen Potentaten dieser Welt vorgehen

Armin Osmanovic, 37, war von 2000 bis 2004 Wissenschaftler am Institut für Afrika-Kunde in Hamburg und ist heute Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg sowie Berater in der Entwicklungspolitik mit Schwerpunkt Afrika.

In der alten Bundesrepublik hatte man es sich mit seiner eingeschränkten außenpolitischen Souveränität relativ bequem gemacht. Deutsche Außenpolitik beschränkte sich auf zivile Mittel: Man steuerte „Entwicklungshilfe“ bei, um dem Vormarsch des Kommunismus in Afrika oder Lateinamerika entgegenzuwirken. Zu militärischen Mitteln dagegen ließ man in Zeiten des Kalten Krieges lieber die Verbündeten greifen. Infolgedessen betrachtete man sich in Deutschland als außenpolitisch „edel“ und „gut“.

Heute entdeckt die deutsche Politik ihre globalen Interessen: an Rohstoff- und Energiesicherheit, am freien Welthandel und globaler Sicherheit. Sie nähert sich damit der Außenpolitik traditioneller Großmächte wie der USA, Großbritannien und Frankreich an. Die deutsche Bevölkerung steht dieser Entwicklung noch sehr skeptisch gegenüber – vor allem, wenn Militär ins Spiel kommt. Die Politik nahm darauf Rücksicht, indem sie das deutsche Militär, wann immer möglich, wie in Afghanistan statt in Kampfeinsätze als eine Art bewaffnete „Entwicklungshelfer“ ins Feld schickte.

Doch diese Politik stößt auf wachsende Kritik der Nato-Verbündeten, die ihre Soldaten in Afghanistan weit höheren Risiken aussetzen. Die Entsendung von Bundeswehr-Tornados an den Hindukusch wird der deutschen Außenpolitik nur vorübergehend etwas Luft verschaffen. Bereits jetzt wird der Ruf nach einem Kampfeinsatz der Bundeswehr im Süden Afghanistans lauter. Deutschland wird sich diesem Druck kaum entziehen können.

Dabei droht in Afghanistan, wie schon im Irak, eine militärische Katastrophe. Angesichts der eigenen militärischen Unterlegenheit setzt die Kriegsführung der Taliban gezielt auf Angriffe, die aus der Bevölkerung heraus erfolgen. Wie im Irak droht daher eine hohe Zahl an zivilen Opfern. Und wie im Irak ist ein langwieriger Konflikt zu befürchten, in dessen Verlauf nicht nur viele Nato-Soldaten ums Leben kommen, sondern auch die Nato-Truppen immer brutaler zuschlagen werden.

Angesichts dieses Szenarios könnten in der deutschen Bevölkerung die isolationistischen Tendenzen weiter an Kraft gewinnen. Doch Deutschland wird für die Stabilisierung und Lösung vieler Konflikte gebraucht. Deshalb muss die deutsche Regierung mit ihren Verbündeten endlich über eine Exit-Strategie aus Afghanistan nachdenken.

Was aber bleibt, wenn man im Laufe des nächsten Jahres aus Afghanistan abzieht? Al-Quaidas Terrorbasis in Afghanistan wurde zerstört oder zumindest deutlich reduziert. Zukünftige Aktivitäten von Terroristen in Afghanistan wären mit polizeilichen und sicherheitsdienstlichen Methoden zu bekämpfen, die bislang meist effektiver waren. Militärische Spezialoperationen könnten weiter ein Mittel zur Terrorbekämpfung sein. Doch müssen diese mit größter Vorsicht eingesetzt werden, um zivile Opfer zu vermeiden.

Um globale Sicherheit zu erreichen, muss der Westen neuen Rückhalt in der Staatengemeinschaft suchen

Was auch bleiben sollte, ist die Einsicht, dass so genannte Failing States oder Terrorregime nicht ohne weiteres von außen in populäre, stabile und die Menschenrechte achtende Demokratie umgewandelt werden können. Dafür ist die militärische und zivile Macht des Westens dann doch zu beschränkt. Nach dem Abzug der Nato aus Afghanistan könnte es allerdings auch zum Abzug der zivilen Aufbauhelfer kommen, da deren Sicherheit nicht mehr garantiert wäre. Und wenn sich die Zentralregierung in Kabul nicht allein mit westlicher Finanz- und Militärhilfe an der Macht halten kann, sind auch die erreichten Fortschritte, Schulen und Freiheiten für Frauen gegenüber der Herrschaftszeit der Taliban gefährdet. Ein Abzug aus Afghanistan ist also nicht ohne Risiko.

Dennoch ist ein Abzug aus Afghanistan notwendig. Nicht nur, weil die westlichen Staaten mit jedem Tag und mit jedem zivilen Opfer weltweit an Glaubwürdigkeit verlieren: auch hier gibt es eine Parallele zur Lage der USA im Irak. Zu einem Abzug aus Afghanistan gibt es auch keine Alternative, will der Westen wieder global handlungsfähig werden und gegen die großen und kleinen Potentaten und Diktatoren vorgehen. Denn diese sitzen angesichts der Desaster in Afghanistan und im Irak wieder fester im Sattel.

Dies zeigt das Beispiel Simbabwe, wo sich das Regime von Mugabe auch mit Hinweis auf das „böse Wesen“ des Westens an der Macht halten kann. Das zeigt aber auch das Regime in Khartum, das seinen brutalen Krieg gegen die Rebellen und die Zivilbevölkerung in Darfur seit 2003 auch deshalb unbehelligt fortsetzen kann, weil dem Westen international die Unterstützung fehlt, das Regime unter Druck zu setzen. In der UNO blockieren arabische und afrikanische Staaten gemeinsam mit China und Russland eine härtere Vorgehensweise gegen den Sudan. Und angesichts der Terrorgefahr wollen einige im Westen sich wieder mit Regimen arrangieren, die ihre Bevölkerung terrorisieren, solange sie sich gegenüber dem Westen nicht feindselig verhalten. Auch hat sich der Sudan im Kampf des Westens gegen den transnationalen Terrorismus kooperativ gezeigt.

Der weltweite Kampf für die Menschenrechte ist nicht durch gewaltsamen „Regime Change“ und „Nation Building“ zu gewinnen. Notwendig ist vielmehr die globale Vernetzung der Zivilgesellschaften, die von Land zu Land die Idee der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte transportieren. Nur so sind autoritäre Regime „von innen“ zu verändern. Die Vereinten Nationen sind gegenwärtig nicht der Ort für solche Fragen: auch das zeigt das Beispiel des Sudan ganz deutlich, bei dem China und Russland ein gemeinsames Vorgehen verhindern. Die UNO ist deshalb noch nicht überflüssig. Aber angesichts ihrer unzeitgemäßen Struktur muss sie sich bis zu ihrer umfassenden Reform auf den Kampf gegen Armut und Krankheiten beschränken.

Um dem Ziel der globalen Sicherheit näher zu kommen, muss sich der Westen neuen Rückhalt innerhalb der Staatengemeinschaft organisieren. Notwendig ist die Bildung einer „Vereinigung von Demokratien“, in der neben den Nato-Staaten auch Länder wie Japan, Brasilien, Mexiko, Indien, Südkorea, Ghana, Südafrika, Senegal oder Botswana einen Platz einnehmen könnten. In einer solchen Staatengemeinschaft könnten auch die vier gescheiterten Anwärter auf einen UN-Sicherheitsratssitz Japan, Brasilien, Indien und Deutschland eine herausgehobene Stellung einnehmen.

Deutschlands Außenpolitik nähert sich der traditioneller Großmächte wie Frankreich an

Würde eine solche „Vereinigung der Demokratien“ bereits heute bestehen und wäre die Glaubwürdigkeit der westlichen Staaten nicht durch ihren Einsatz in Afghanistan und im Irak beschädigt, dann könnten diese Staaten heute viel effektiveren Druck auf die autoritären Regime im Sudan oder in Simbabwe ausüben. Gemeinsam könnten sie sich etwa den Vorschlag des französischen Politikers François Bayrou zu eigen machen: Er fordert, dass Frankreich die Olympischen Spiele in Peking 2008 boykottiert, wenn China Maßnahmen gegen den Sudan noch länger verhindert.

ARMIN OSMANOVIC