prenzlbergs schulmangel: Schule als Lotteriespiel
In Prenzlauer Berg haben sich die Kultusbürokraten eine besonders sensible Einschulung ausgedacht: Sie steckten die künftigen Abc-Schützen in die Schultüte – und verlosten sie anschließend quer über den Kiez. Dass das kein Witz, sondern bitterer Ernst ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen: Dann verdoppelt sich die Zahl der Erstklässler rund um den Kollwitzplatz. Schule wird dort ein Lotteriespiel bleiben.
KOMMENTAR VON CHRISTIAN FÜLLER
Warum aber sollte Schule in Prenzlauer Berg auch besser funktionieren als in Neukölln? Wenn sich die Generation Buggy jenseits der Torstraße gedacht hat, wir sind fein raus mit unseren White-Class-Mittelschichtschulen, dann war sie naiv. Sie hätte wissen müssen: Schulverwaltung mag vieles können – effizient sein kann sie nicht. Es gibt kein Bundesland, in dem Schule dümmer verwaltet wird als Berlin.
Die Unfähigkeit der Ämter erweist sich jeden Tag aufs Neue. Verwaltungstechnisch ist Prenzlauer Berg nämlich ein Bermudadreieck – verantwortlich fühlt sich da keiner. Die arme Stadträtin ist erst seit einem halben Jahr im Amt, die Schulrätin fühlt sich nur als Beraterin, die Schulen wollen keine Sardinenbüchsen werden, der Bürgermeister will nur schlaue Reden halten, und die Eltern haben zum Teil haarsträubende Ansprüche. Auf der Strecke bleiben die Fünfeinhalbjährigen, die Lesen und Rechnen lernen sollen.
Das ist vielleicht die einzige Idee, die man aus der Schulkrise am Prenzlauer Berg gewinnen kann: Es darf einfach nicht sein, dass sich die Kinder nach der Schule zu richten haben. Umgekehrt muss es sein: Die Schule hat sich jedes Kindes anzunehmen, das an ihre Schwelle kommt – ganz egal wie frech, dumm, intelligent oder gehandikapt es ist. Dass es diese Philosophie in der Staatsschule nicht gibt, war ohnehin klar. Also, lasst uns nicht mehr über Bürokratie jammern. Lasst uns tausend neue Schulen gründen!
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