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Archiv-Artikel

Xenophobe Angstprojektion

betr.: „Taro-Fladen statt Missionar vom Grill“ von Urs Wälterlin, taz vom 21. 4. 07

Ich bin zwar kein Fidschi-Experte, habe aber in meinem gesamten Ethnologiestudium den Typus vom Menschenfresser stringent und vor allem empirisch belegt als westlich-exotische und vor allem xenophobe Angstprojektion kennen gelernt. Mir sind in diesem wie auch anderen Zusammenhängen von „bewiesener Primitivität“ diverse Beispiele bekannt, in denen Indigene teilweise ganz bewusst eine solche Rollenzuschreibung nutzten und für eigene, oft sehr subtile Zwecke, instrumentalisierten.

Am prägnantesten bleibt mir da eine Erzählung aus Papua-Neuguinea in Erinnerung. Hier beschrieb ein Papua, in seinem hochgelegenen Baumhaus sitzend, ganz gemütlich, genüsslich und vor allem detailliert eine kannibalistische Jagd. Diese Fünfzehnminutenstory stellte sich als Märchen heraus und mein damaliger Professor versuchte anhand des Bildmaterials menschliche Universalien hinsichtlich der Mimik zu zeigen. Lüge war hier das Thema.

Eine wissenschaftlich völlig unfundierte Geschichte irgendeines x-beliebigen Hobbyarchäologen als Quelle anzugeben, ist schon peinlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang übrigens an die Lampenschirmständer aus Menschenhaut erinnern, die sich führende Nazis in ihre Wohnzimmer stellten oder an die Geldbeutel aus indianischen Brüsten und Hodensäcken, welche zu Zeiten der Indianerkriege bei etlichen US-Soldaten sehr beliebt waren. Beides im krassen Gegensatz zu dieser Story fundiert.

Ich möchte einen gezielten Kannibalismus nicht völlig ausschließen, glauben tue ich ihn aber erst nach echten und vor allem validen, empirisch fundierten Belegen. Alles andere erzeugt ein Bild vom halbwilden Exotentier. CHRISTIAN OEHMICHEN, Karlsruhe