: Das linke Stimmengewirr
Acht Monate nach ihrem Wahldesaster ist die Berliner WASG nun in sechs Einzelteile zersplittert. Politisch eine Perspektive haben nur noch die Fusionsbefürworter. Der Rest zerfleischt sich selbst
VON FELIX LEE
Die Berliner Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) hat sich nun endgültig atomisiert. Seit dem Wochenende ist die einst als linke Wahlalternative angetretene Partei nicht mehr nur in Befürworter und Gegner der Fusion mit der Linkspartei.PDS gespalten. Sechs Gliederungen konkurrieren nun um die Nachfolge der Hauptstadt-WASG. „Mir war klar, dass der Alleingang der Berliner WASG in der Bedeutungslosigkeit enden würde“, sagte WASG-Gründungsmitglied und Fusionsbefürworter Klaus-Dieter Heiser gestern der taz. Dass es so schlimm enden würde, stimme ihn „aber schon sehr traurig“.
Im Streit um eine Fusion mit der PDS hatten sich die einst rund 700 Mitglieder der Berliner WASG fast anderthalb Jahre die Köpfe eingehauen. Gegen den Willen der WASG-Bundesspitze konnten sich die Fusionsgegner um die bekennende Trotzkistin Lucy Redler gegen die Befürworter durchsetzen. Der eigenständige Antritt in Konkurrenz zur PDS endete im Fiasko. Bei den Berlin-Wahlen vergangenen Herbst verfehlte die WASG den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Lediglich in einzelnen Bezirksparlamenten konnte sie einige Sitze erringen.
Nun erreicht die Selbstzerfleischung eine neue Qualität. Allein unter den Fusionsgegnern gibt es fünf Abspaltungen. Der Kreis um Redler und den Kreuzberger Fundamentaloppositionellen Michael Prütz hat gestern Abend eine neue „Regionalorganisation“ gegründet. Deren Name: „Berliner Alternative für Arbeit, Solidarität und Gegenwehr“ (BASG). Als „antikapitalistisch“ versteht sich die Gruppe, weswegen ihr bereits der Vorwurf gemacht wird, sie sei „streng marxistisch“ ausgerichtet.
Eine kleinere Gruppe um den noch amtierenden WASG-Sprecher Gerhard Seyfarth hat daher dazu aufgerufen, eine neue Formation zu gründen, die sich als „Sammelbecken“ für alle versteht, die sich allgemein gegen Sozialabbau und Neoliberalismus einsetzen. Auch CDUler mit sozialem Gewissen seien willkommen.
Bereits am Freitag haben im Rathaus Lichtenberg einige die Wahlalternative Soziales Berlin (WAS-B) gegründet. Diese Abspaltung kritisiert an Redler und Prütz, als Regionalorganisation den Anspruch einer „bundesweiten Perspektive“ aufgegeben zu haben. Ihre Vorstellung: In Hannover gründet sich die WAS-H, in Magdeburg die WAS-M. Geplant ist ein bundesweiter Gründungsparteitag im Juli 2008.
Ebenfalls als Nachfolger der WASG sieht sich die bereits Mitte März gegründete Abspaltung Sozialistische Alternative Gerechtigkeit (SAG). Programmatisch verfolge sie eigenen Angaben zufolge die Ziele der „alten WASG, jedoch ohne die gleichen Fehler zu begehen, die in den vergangen Monaten zu einer WASG-Auflösung geführt hatten. Mehr ist über sie nicht bekannt.
Ganz ablehnend einem Partei- oder Organisationsstatus gegenüber steht das Netzwerk linke Opposition (NLO). Statt sich gegenseitig programmatisch auf Linie zu trimmen, solle man sich auf eine lose Bündnisstruktur einigen, die sich allen politischen Unterschieden zum Trotz zu gemeinsamen Aktionen zusammenrauft, heißt es in ihrem Papier. Auch „nach dem Tod der WASG“ gebe es in Berlin noch ein politisches Leben.
Und dann gibt es Versprengte, die mit all den genannten Gruppen gar nichts zu tun haben wollen und nun auf der Suche nach der „wahren WASG“ sind. Sie haben sich noch nicht organisiert, weswegen es auch keinen Namen für sie gibt. Einzig dem Kreis der Fusionsbefürworter um Klaus-Dieter Heiser, der die einstigen WASG-Bezirksverbände Neukölln, Charlottenburg und Steglitz-Zehlendorf hinter sich weiß, wird bescheinigt, dass sie auch in Zukunft in der Berliner Landespolitik noch ernst genommen werden. Sie nominieren demnächst ihre vier Vertreter für den künftigen Übergangsvorstand der fusionierenden Partei „Die Linke“.