KRITIK: DIE ROMANADAPTION „ABZäHLEN“ IM MOKS : Tanz in der Trostlosigkeit
Konradin Kunze inszeniert ein Stück vom Krieg außerhalb der Schlacht
Auf der Bühne herrscht Chaos. Sie ist übersät von Kleidungsstücken, die niemand mehr braucht. Die Übriggebliebenen im zerstörten Dorf, in dem die Freundinnen Ninzo und Zknapi aufwachsen, trotten verwirrt umher, wie in Trance ziehen sie wahllos Kleidungsstücke an und wieder aus. Sie sind neugierig und lauschen jedem Gespräch, wirken aber auch abwesend und kraftlos.
Es ist ein trostloses Bild, das Ausstatterin Léa Dietrich für die Inszenierung des Jugendromans „Abzählen“ auf der Bühne im Moks geschaffen hat. Obwohl die Romanautorin Tamta Melaschwili in Georgien aufwuchs, wird der Ort des Geschehens im Buch nicht benannt. „Ich glaube immer noch daran, dass Gewalt keine Nationalität kennt“, schreibt sie im Nachwort. Und auch in der Inszenierung von Konradin Kunze ist bloß von „Hier“ und „Da“, von „Uns“ und „den Anderen“ die Rede.
Kunze, der bereits als Regisseur für Stücke wie „Gelber Mond“ und „Weißes Papier“ mit Dietrich zusammenarbeitete, inszenierte den Roman als Schauspiel- und Tanzkomposition, die Choreografie stammt vom früheren Tanzensemble-Mitglied Tomas Bünger. Das Gesamtwerk macht einen düsteren Eindruck.
Doch im Roman, der 2013 den deutschen Jugendliteraturpreis erhielt, geht es nicht nur um Krieg. Die beiden 13-jährigen Mädchen werden erwachsen, ihr jeweiliger Umgang mit Not und Kummer, aber auch mit der Pubertät, werden von Meret Mundwiler als optimistische Ninzo und Marina Lubrich als hagere, vorsichtige Zknapi eindrucksvoll umgesetzt. Sie wecken Sympathie im Zuschauer, wenn sie immer wieder versuchen, noch einmal Kind zu sein – um dann doch wieder in die Realität zurückgeholt zu werden: Plötzliche Dunkelheit und ein lautes Rauschen werfen regelmäßig alle aus der Bahn und lassen sie kurz taumeln, um dann einfach wieder weiterzumachen.
Immer wieder regnet es neue Requisiten auf die Bühne: Bilder, Erinnerungen, Gedanken. Es sind viel zu viele – und sie erzeugen ein treffendes Bild von Hilflosigkeit. Dem Stück „Abzählen“ gelingt es, einen effektiven Eindruck vom Überlebenskampf auf den Nebenbühnen des Kriegs zu vermitteln.
CLARA ZINK
Nächste Aufführungen: Mi, 8. 10.; So, 12. 10.; Mo, 13. 10.; So, 19. 10.; Mo, 20. 10.