: Begegnungsinstitute
AUSTAUSCH Arabischer Frühling steht uns gut: ein Frühstück mit dem Goethe-Instituts-Präsidenten
Klaus-Dieter Lehmann fühlt sich bestätigt. „Die Adressbücher unserer Institutsleiter sind dick gefüllt mit Namen, die wir jetzt gebrauchen können.“ Der Präsident des Goethe-Instituts, des größten deutschen Kulturvermittlers, hat zu einem halbjährlichen Pressefrühstück geladen, das vom Zeitpunkt her mehr ist als ein Routinetermin. Die Zeiten, zu denen man auf diesen Termin ging, um etwas über den Stand der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zur jeweiligen Bundesregierung herauszuhören, sind zwar vorbei; der Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hatte das Goethe-Institut mit Missachtung gestraft, der Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte es wieder gehegt und gepflegt, und nach Anfangsirritationen scheint es jetzt auch ein tragfähiges Verhältnis zur CDU/FDP-Regierung zu geben. Als „gut ausbalanciert“ bezeichnete es Lehmann.
Ein Routinetermin war es dennoch nicht, weil im Sommer das 60. Jubiläum des Instituts ansteht. Gefeiert wird am 5. Juli, Guido Westerwelle (FDP) wird die Festrede halten; bis dahin stehen ja auch keine weiteren Landtagswahlen an, die ihn doch noch aus seinem Ministeramt fegen könnten. Man darf gespannt sein, ob sich der deutsche Außenminister mehr einfallen lassen wird als die Floskeln, die er bislang für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik übrig hatte.
Vor allem aber war es deshalb kein Routinetermin, weil es inzwischen den Arabischen Frühling gegeben hat. Auf die Umwälzungs- und Konfliktprozesse im Maghreb und Nahen Osten bezog sich die Bemerkung mit den dick gefüllten Adressbüchern. Klaus-Dieter Lehmann nutzte seine Ausführungen zu diesem Thema dazu, den abstrakten Begriff der „Begegnung“, mit dem man die Arbeit des Goethe-Instituts am besten beschreiben könne, mit Leben zu füllen. Die Goethe-Institute hätten eben, so Lehmann, immer schon keineswegs nur deutsche Kultur exportiert, sondern stets ein partnerschaftliches Konzept mit den kulturellen Akteuren vor Ort vertreten. Das helfe nun gerade auch in repressiven Regimen.
Lehmann: „Wir arbeiten nicht subversiv. Aber wir kennen die zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort und können unsere Räume als Freiräume für Diskussionen und Debatten anbieten.“ Dazu, so Lehmann, müsse man allerdings auch die Zensoren kennen. Lehmann: „Wir lassen uns auf Gespräche mit ihnen ein – als Versuch, Einfluss zu nehmen.“ Politisch agieren könne und wolle man als Kultur- und Bildungsorganisation nicht, aber einen offenen, auf gesellschaftliche Emanzipation ausgerichteten Diskurs unterstützen, das wolle man schon. Als gutes Beispiel diente Lehmann das Goethe-Institut in Kairo, das mit seiner Tahrir-Lounge künstlerischen Initiativen und politischen Gruppierungen Raum bietet.
Das Goethe-Institut nicht als reiner Kulturvermittler, sondern als Diskursermöglicher – das war auch der Fluchtpunkt der 60-jährige Geschichte des Goethe-Instituts, so wie Lehmann sie erzählte. In den 50er-Jahren sei es darum gegangen, wieder Sympathien für ein neues Deutschland zu erwecken. In den 60ern und 70ern ging es darum, die gesellschaftlichen Debatten innerhalb Deutschlands als offenes und selbstkritisches Deutschlandbild zu vermitteln. Dann kamen nach dem Mauerfall die Aufgaben der Osterweiterung. Und nun gehe es vermehrt darum, in den zahlreichen Krisenregionen der Welt Infrastrukturen für Kultur und Bildung zu schaffen und – da ist das Wort wieder! – Begegnungen zu ermöglichen.
Bei der Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ in Peking, sei das, so Lehmann auf Nachfrage, auch deshalb nicht gelungen, weil man bei so einer hochprotokollarisch angesiedelten Veranstaltung Handlungsspielräume nicht gut ausloten könne. Statt auf Staatsakte setzt er auf konkrete Bildungsprozesse in Diskussionsveranstaltungen und Debattenreihen. Die habe das Goethe-Institut rund um die „Aufklärungs“-Schau nun auch noch stärker in Angriff genommen. DIRK KNIPPHALS