: Christdemokraten denken an Scheidung
Weil SPD-Landeschef Stegner „nicht teamfähig“ sei, stellt Schleswig-Holsteins CDU die große Koalition in Frage
Die schwarz-rote Koalition in Kiel kriselt: Vor ihrem heutigen Landesausschuss droht die CDU der SPD unverhohlen mit dem Ende der Zusammenarbeit: „Die Schmerzgrenze ist zurzeit ziemlich erreicht“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Torsten Geerdts gestern. „Neuwahlen sind nicht unser Anliegen, aber wenn es so weitergeht, werden wir sehen, welche Möglichkeiten sich ergeben.“ Landesgeschäftsführer Christian Günther sekundierte: „Wir lassen uns nichts mehr gefallen.“
Grund für den Missmut bei den Christdemokraten ist Innenminister Ralf Stegner, der neu gewählte SPD-Landeschef. Er sei nicht teamfähig, handle beliebig, tue nur, was ihm nütze, klagte Geerdts. Letzter Tropfen im vollen Fass war ein Interview, in dem Stegner Ministerpräsident Peter Harry Carstensen vorwarf, den traditionellen Empfang zum 1. Mai abgeschafft zu haben – darüber hatte das Kabinett bereits im Vorjahr beraten. „Stegner holt alte Klamotten heraus, und ein Angriff eines Kabinettsmitglieds auf den Ministerpräsidenten ist zumindest unüblich“, so Geerdts. Carstensen selbst sei „stinkesauer“ gewesen, verriet die stellvertretende Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave (SPD) dem Flensburger Tageblatt. Möglicherweise wird Carstensen in seiner Rede beim heutigen Parteitag auf das Thema eingehen.
Stegner selbst erlebte einen unangenehmen 1. Mai: Bei einer Kundgebung in Kiel warf eine Frau ein Stück Apfelkuchen, das den Minister an der Jacke traf. Schon vorher störten Zwischenrufer und Pfiffe. Die Atmosphäre sei „feindlich“ gewesen, berichtet ein Beobachter. Dabei hatte Stegner auf den Beifall der Gewerkschaftler gehofft: Er wollte vorschlagen, Steuermehreinnahmen an die Landesbediensteten auszuschütten. Die Rede blieb ungehalten, der Vorschlag liegt trotzdem auf dem Tisch – zum Ärger der CDU: „Angesichts von 855 Millionen Euro Defizit ist es ein Skandal, dass der Minister sich hinstellt und über Ausgaben redet“, sagte Geerdts.
Die SPD bemüht sich um Gelassenheit. Arbeitsminister Uwe Döring sagte der taz, das Klima in der Koalition sei besser als sein Ruf. „Ich wundere mich, dass die CDU bei so einem eher harmlosen Thema die Contenance verliert.“ Vielleicht seien Streitfragen innerhalb der CDU der Grund. Der stellvertretende SPD-Parteichef Andreas Breitner erklärte, mit den Angriffen auf Stegner liege Geerdts „völlig daneben“. Und Erdsiek-Rave forderte alle Kabinettsmitglieder auf, auf Attacken zu verzichten – auch Stegner selbst. EST