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Archiv-Artikel

Reiche Ernte für Datensammler

KONTROLLE Die Bundesregierung will den Schutz der Daten von Beschäftigten neu regeln. Doch ihr Gesetzentwurf kommt bei den Gewerkschaften nicht gut an. Sie monieren: Zu viel Generalverdacht, zu wenig Mitbestimmung

Die Möglichkeiten zu einer offenen Video-Überwachung werden ausgeweitet

VON JOHANN LAUX

Bluttest, Videoüberwachung, Gesichtserkennung – technisch ist die lückenlose Kontrolle von Arbeitnehmern kein Problem, doch wie weit dürfen Unternehmen gehen? Mit einem Gesetzentwurf zum Datenschutz von Beschäftigten plant die Bundesregierung eine Gesetzeslücke zu schließen und stößt bei vielen Betriebs- und Personalräten im Norden auf Ablehnung: „Der Entwurf schützt Beschäftigte nicht vor einem Generalverdacht“, sagte der Hamburger Betriebsratsvorsitzende von EADS Deutschland, Rüdiger Lütjen, auf einer Pressekonferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). „Die Novelle ist alles andere als ein Fortschritt und zu Recht heftig umstritten“, sagt Mechthild Garweg, die als Rechtsanwältin in Hamburg Betriebsräte vertritt.

Bislang regelt Paragraph 32 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) den Umgang mit Daten im Arbeitsverhältnis. Der Abschnitt war erst 2009 ins BDSG aufgenommen worden, nachdem die Bespitzelungen von Angestellten durch Lidl, Schlecker, Kik und anderen deutschen Großunternehmen aufgedeckt wurden. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen soll die Vorschrift nunmehr einer ganzen Reihe speziellerer Regelungen weichen. Die darin behandelten Sachverhalte sind für die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten höchst sensibel. Darf etwa ein Arbeitgeber einen Bewerber fragen, ob er schon einmal in psychologischer Behandlung war? Darf er einen Bluttest verlangen? Können Kontodaten gesammelt werden, um Korruption aufzudecken? Ist es zulässig, Mitarbeiter im Außendienst mittels GPS zu orten? Kann der Zugang zum Arbeitsplatz durch biometrische Verfahren wie Fingerabdrücke und Gesichtserkennung reguliert und mit Videokameras überwacht werden? Und darf der Arbeitgeber einen automatisierten Abgleich der gesammelten Daten (“Datenscreening“) vornehmen?

Dem DGB werden diese Fragen im Entwurf viel zu oft mit „ja“ beantwortet. Zudem vermissen die Gewerkschafter entsprechende Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte. Licht und Schatten der Gesetzesnovelle werden am Beispiel Videoüberwachung klar: Eine Kontrolle durch heimlich installierte Kameras soll künftig nicht mehr zulässig sein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bislang im Einzelfall eine heimliche Überwachung für rechtmäßig erklärt, wenn grundrechtlich geschützte Interessen anderer, vor allem des Arbeitgebers, überwiegen. Dafür werden die Möglichkeiten zu einer offenen Videoüberwachung im Vergleich zu den strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung des BAG ausgeweitet. Es müssen nicht mehr grundrechtlich geschützte Belange auf dem Spiel stehen. Macht der Arbeitgeber die Videoaufzeichnung etwa durch ein Schild kenntlich, genügt als Zweck schon die Wahrnehmung seines Hausrechts.

Anwältin Garweg hält die Tatbestände im Entwurf durchweg für zu unklar formuliert: „Durch den weichen Wortlaut der Normen werden die betroffenen Beschäftigten und Betriebsräte verunsichert und letztlich davon abgehalten, ihre Rechte wahrzunehmen“. Derzeit sammelt der DGB Unterschriften von Betriebs- und Personalräten, um die Bundestagsabgeordneten davon abzubringen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Die Regierung macht derweil Tempo: Am vergangenen Montag hat der Entwurf die Sachverständigen-Anhörung im Innenausschuss des Bundestages passiert.

Laut Jens Peter Hjort, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg, würde das Datenschutzgesetz in dieser Form seinem Namen nicht gerecht: „Hier werden keine Schutznormen für den Arbeitnehmer, sondern „polizeiliche“ Eingriffsnormen für den Arbeitgeber festgeschrieben“. Mit dem Gesetz werde das Sammeln von Daten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle am Arbeitsplatz zum ureigensten Recht des Arbeitgebers. „Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt auch im Beschäftigungsverhältnis“, so Hjort. In der Tat bewegt sich der Datenschutz von Arbeitnehmern in einem Spannungsverhältnis grundrechtlich geschützter Positionen. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, die Kontrolle über seine Daten zu behalten, steht das ebenso schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an einem geordneten Betriebsablauf gegenüber. Dass die Abwägung zuungunsten der Arbeitnehmer ausfalle, könnte nach Ansicht von Rechtsanwalt Hjort seinen Grund schon im Entstehungsprozess des Entwurfs haben: Federführend war nicht das Bundesministerium für Arbeit, sondern das des Inneren. Dort sei man es gewohnt, Polizeigesetze zu schreiben.