: Der halbe Ausstieg
ATOMKRAFT Drei norddeutsche Atomkraftwerke werden stillgelegt. Brunsbüttel, Krümmel und Unterweser sollen nicht wieder ans Netz. Die Meiler Brokdorf, Grohnde und Emsland sollen dafür noch zehn Jahre lang strahlen
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke sollen sofort und endgültig vom Netz gehen, darunter im Norden die beiden Meiler Unterweser zwischen Bremen und Bremerhaven und Brunsbüttel an der Unterelbe. Außerdem soll auch das etwas jüngere Kraftwerk Krümmel bei Geesthacht abgeschaltet bleiben. Das gab die schwarz-gelbe Bundesregierung am Montagfrüh bekannt.
Damit sollen drei von sechs norddeutschen Atomkraftwerken sofort stillgelegt werden. Der Alt-Reaktor Stade war bereits 2003 in Folge des rot-grünen Atomkonsens stillgelegt worden und wird seitdem zurückgebaut. Der Meiler Unterweser war nach dem GAU in Fukushima auf Weisung aus Berlin am 18. März vorübergehend abgeschaltet worden. Brunsbüttel und Krümmel wurden ebenfalls vorerst stillgelegt. Allerdings sind die beiden Meiler des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall nach mehreren Pannen bereits seit fast vier Jahren ohnehin zur Reparatur vom Netz.
Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow wollte die Ankündigungen der Bundesregierung am Montag „nicht kommentieren“. Das Unternehmen habe das „erst einmal zur Kenntnis“ genommen und prüfe in Ruhe die Sachlage. Der Hamburger Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth hatte bereits vor zwei Wochen nach Vorlage des Berichts der Reaktorsicherheitskommission erklärt, er wolle sich zunächst „ein ganzheitliches Bild“ machen. Allerdings hatte Wasmuth eingeräumt, die Frage, „was ein Schrottreaktor ist und was nicht“, unterliege nunmehr einer „vielschichtigen Sichtweise“.
„Das sofortige Aus für die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel ist besonders zu begrüßen“, stellte hingegen Schleswig-Holsteins Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) klar, dem die Atomaufsicht im nördlichsten Bundesland untersteht. „Diese beiden Siedewasserreaktoren sind wegen ihrer Grundkonstruktion nur schwer oder gar nicht nachrüstbar. Auch die Rücknahme der Laufzeitverlängerung und die festen Ausstiegsdaten sind zu begrüßen“, so Schmalfuß. Damit sei „eine zentrale Forderung der schleswig-holsteinischen Landesregierung erfüllt“.
Grüne und Linke im Kieler Landtag beharrten indes darauf, dass der Atomausstieg früher möglich wäre als 2022. Dieses Datum bedeute de facto eine Laufzeitverlängerung um fünf Jahre. So sieht das auch Lars Harms vom SSW, der aber „die gute Nachricht“ in den Vordergrund stellt: „Das Ende der Atomkraft ist unumkehrbar besiegelt.“ Und für die SPD spottet Umweltpolitiker Olaf Schulze: „CDU und FDP sind jetzt da, wo wir ohne sie schon längst wären.“
Für die Atomkraftgegner im Wendland kommt der für 2022 geplante Ausstieg hingegen zu spät. „Der Atomausstieg stottert“, erklärte die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. So würde weitere elf Jahre Atommüll produziert, monierte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Von einer „Täuschung“ spricht Jochen Stay von der Anti-AKW-Organisation ausgestrahlt. „Unterm Strich“ bedeute der Koalitionsbeschluss für mehrere Atomkraftwerke gegenüber dem rot-grünen Szenario „eine deutliche Laufzeitverlängerung“.
Im Landkreis Wesermarsch sprachen Landrat Michael Höbrink (SPD) und Atomkraftgegner der Bürgerinitiative „Aktion Z“ von neuen Chancen ohne das AKW Unterweser. „Hier gehen nicht die Lichter aus“, sagte Höbrink, „wir können auch ohne Atomkraftwerk leben.“
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