Studis erteilen Bachelor Abfuhr

Die Studierenden der Humboldt-Uni sind laut einer Umfrage mit den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen unzufrieden. Viele fühlen sich schlecht betreut. Wer jobben muss, hat ein Problem

von ANTJE LANG-LENDORFF

Die Studierenden der Humboldt-Universität (HU) geben den neu eingeführten Bachelor- und Masterstudiengängen schlechte Noten. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Umfrage, die HU-Studierende in einer Projektgruppe selbst organisiert haben. Nach Ansicht der Befragten habe die Reform weder zu „mehr Kompatibilität“ noch zu einem „flexiblen, zeitnahen und transparenten Studium“ geführt. Damit wurden wichtige Ziele des sogenannten Bologna-Prozesses verfehlt, so das vernichtende Resumée der Projektgruppe.

1999 hatten sich die europäischen Bildungsminister mit der Bologna-Deklaration auf eine Vereinheitlichung des Hochschulsystems geeinigt. Bis zum Jahr 2010 stellen alle europäischen Universitäten ihre Studienordnung auf Bachelor und Master um. Die bisherigen Magister- und Diplomstudiengänge laufen aus. So soll die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse erhöht werden.

Von Juni bis August des vergangenen Jahres warben die Mitglieder der „Projektgruppe Studierbarkeit“ an Ständen und im Internet für ihre Umfrage. Mehr als 2.100 vollständige Fragebögen haben sie nun ausgewertet. „Wir wollten uns nicht mehr sagen lassen, es handele sich nur um Einzelfälle, bei denen Schwierigkeiten auftreten“, sagte Kolja Fuchslocher, ein Sprecher der Projektgruppe, gestern der taz. „Es gibt strukturelle Probleme, die wollen wir zeigen.“

Zum Beispiel die vorgegebenen Studienverlaufspläne. Sie verhinderten ein flexibles Studium, so ein Ergebnis der Umfrage. Das ist vor allem für jene, die nebenbei jobben müssen, ein Problem. Mehr als zwei Drittel der Befragten sind auf Erwerbsarbeit angewiesen. „Der Bologna-Prozess blendet die soziale Realität von Studierenden aus“, sagt Kolja Fuchslocher. Erwerbstätigkeit, aber auch Kinder oder chronische Krankheiten seien nicht vorgesehen.

Anja Schillhaneck, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, ist von diesem Ergebnis nicht überrascht. Die ursprüngliche Hoffnung, dass nach der Reform die verschiedenen Lebens- und Studienphasen besser miteinander vereinbar wären, hat sie schon lange nicht mehr. „In diesem Bereich ist die Umstellung nach hinten losgegangen“, sagte sie. Statt einer stärkeren Verwissenschaftlichung habe die Reform zu einer stärkeren Verschulung geführt. Gerade in Berlin sei das problematisch, weil hier viele Studierende nicht „orthodoxe Lebenswege“ gingen, sondern arbeiten müssten oder bereits Kinder hätten.

Nicht nur die fehlende Flexibilität wird von den HU-Studierenden kritisiert. Laut Umfrage sind viele auch mit der Betreuung unzufrieden. Für die Lehrenden steige mit der Kontrolle der vielen Hausaufgaben und Protokolle der administrative Aufwand. „Das Bologna-Ziel eines besseren Betreuungsverhältnisses wird verfehlt“, schlussfolgert die Projektgruppe. Und sie hat noch eine traurige Botschaft: Viele Studierende sehen den neuen Bachelor-Abschluss nicht mal als berufsqualifizierend an.

Schon bei einer Umfrage an der Freien Universität 2006 hatten Studierende die starke Fremdbestimmung bei der neuen Studienordnung kritisiert. Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage an der HU will die Projektgruppe Mitte Mai veröffentlichen.