piwik no script img

Archiv-Artikel

Gruselmärchen vom Untergang

betr.: „Brauchen wir ein neues Sozialsystem?“, taz vom 30. 4. 07

Zur Begründung eines Grundeinkommens wegen des Bedeutungsverlusts von Normalarbeitsverhältnissen schrieb die taz: „Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erblühte dann im Vorgarten deutscher Unternehmen über Nacht ein Niedriglohnparadies. Während die Ostdeutschen auf eine schnelle Anpassung ihrer Löhne an Westniveau drängten, arbeiten Polen, Tschechen und Rumänen für einen Bruchteil der deutschen Gehälter. Und nach der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1994 boten zunehmend Arbeitsmärkte in Fernost ihre Dienste an – zu einem Bruchteil der polnischen oder tschechischen Löhne.“

Der Untergang scheint nah. In diesem Gruselmärchen wird die deutsche Wirtschaft von ausländischen Gütern überschwemmt und kann selbst nichts mehr im Ausland absetzen; Deutschland ist hoch verschuldet gegenüber den Niedriglohnländern dieser Welt, und die europäische Währung, dies widerspiegelnd, ist die schwächste der ganzen Welt. Dumm nur, dass in Wirklichkeit genau das Gegenteil der Fall ist: Deutschland erobert in diesem Augenblick in einer nur extrem aggressiv zu nennenden Art und Weise ausländische Märkte und zwingt damit viele andere Länder (darunter viele Niedriglohnländer in Osteuropa!) massiv in die Verschuldung. Was, so meine Frage, folgt daraus für prekäre Arbeitsverhältnisse und das Grundeinkommen? Selbst wenn, wie ich vermute, nichts daraus folgt, folgt doch immerhin, dass man Fakten zur Kenntnis nehmen und schleunigst aufhören sollte, den Menschen in Deutschland solche Gruselmärchen aufzutischen. HEINER FLASSBECK, Genf, Schweiz